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Bücher aus der Bibliothek von Gustav Gabriel Cohn

31. Januar 2018
von Redaktion — abgelegt in: Aktuelles,Hamburg — 4.067 Aufrufe

English Translation

Von Anna von Villiez.

Das einzige erhaltene Bild von Gustav Gabriel Cohn
(1863– 1942), Quelle: Privatbesitz

 

Am 22. Januar konnte die Stabi in Kooperation mit dem Institut für die Geschichte der deutschen Juden 10 Bücher im Rahmen einer Restitution auf den Weg nach Israel bringen. Die Werke, allesamt Hebraika, stammten ursprünglich aus der Bibliothek von Gustav Gabriel Cohn, einem Hamburger Fondsmakler, der im Laufe seines Lebens eine umfangreiche Privatbibliothek zu religiöser Literatur des Judentums aufgebaut hatte.

Cohns Bücher gelangten, vermutlich im Rahmen der Beschlagnahmung des Besitzes nach seiner Deportation, in den Bestand der Stabi, wo sie im sogenannten „Altbestand“ erst viel später entdeckt und eingearbeitet wurden.

Gustav Gabriel Cohn wurde in Rawitsch im damaligen Posen als Sohn des jüdischen Religionslehrers Markus Cohn und seiner Frau Pauline geb. Brie geboren. Als junger Mann ging er nach Berlin, wo er etwa zehn Jahre verbrachte und unter anderem am Rabbinerseminar seine Ausbildung absolvierte. Noch in Berlin entschied er sich dann für eine weltliche Karriere als Bankier und Finanzmakler.

Stempel aus Cohns Zeit in Berlin

Stempel aus Cohns Zeit in Berlin finden sich in vielen der Bücher.

 

In Hamburg lebte er seit etwa 1887, wo er seit etwa 1900 in der Grindelallee 166 zusammen mit seiner wachsenden Familie eine geräumige Wohnung bewohnte, in der er über fast vier Jahrzehnte seine Bibliothek erweiterte. Seine sechs Söhne wurden zwischen 1893 und 1910 geboren.

Seit 1933 war die Familie Cohn durch die fortschreitende Verfolgung auseinandergerissen worden. Gustav Gabriel Cohns Frau Ella war bereits 1917 jung verstorben. 1935 gingen die Söhne Adolph (Niederlande) und Leon (Palästina) ins Exil. Marcus folgte Adolph 1937 in die Niederlande, ging dann über London schließlich nach Argentinien. Sohn Simon floh 1939 nach Frankreich. Nur Nathan Walter blieb in Hamburg. Gustav Gabriel Cohn selber musste mehrfach umziehen. Er zog zunächst in eine kleinere Wohnung in der Klosterallee. Noch 1942 lebte er zwangsweise in die Dillstraße 15, eines der sognannten „Judenhäuser“, in denen Juden unter sehr beengten Verhältnissen kaserniert wurden.

Unterschrift Cohn

Diese Unterschrift von Gustav Gabriel Cohn fanden wir in der
Mehrheit der über 70 Bücher, die als Raubgut aus seiner Bibliothek
in die Bestände der Stabi kamen.

 

Vermutlich nahm er zumindest einen Teil seiner Bibliothek dorthin mit. Der mit Cohn befreundete Lehrer Jakob Katzenstein beschrieb nach dem Krieg Cohns Verhältnis zu seinen Büchern: „Ich war [zum] Zeitpunkt der Deportierung von Herrn Cohn noch in Hamburg und habe Herrn Cohn noch einen Tag vor der Deportierung gesehen. […] Der Gedanke, dass Herr Cohn freiwillig seiner Bibliothek oder Teile derselben [wegge-]geben haette, ist einfach absurd. Für Herrn Cohn bedeutete der Besitz der Bibliothek nicht ein Hobby, sondern die Beschäftigung mit einem Lebensinhalt. Selbst schwere wirtschaftliche Notlage hätte Herrn Cohn nicht veranlassen können, seine Bücher aufzugeben. Ich bin sogar davon überzeugt, dass Herr Cohn lieber gehungert hätte als sich von seinen Büchern zu trennen.“ Vgl. StAHH, 213-13 6039, Erklärung J. Katzenstein, 4.12.1958.

Die Verfolgung nahm für Gustav Gabriel Cohn und seine Söhne im Sommer 1942 lebensbedrohliche Züge an: Am 11. Juli 1942 wurde Nathan Walter Cohn 47jährig aus Hamburg nach Auschwitz deportiert. Sein Vater, Gustav Gabriel, vier Tage später nach Theresienstadt. Adolph Cohn, der in Amsterdam inzwischen Frau und zwei Kinder hatte, ging in den Untergrund. Im August wurde Simon Cohn in Frankreich inhaftiert und über Drancy nach Auschwitz deportiert.

Buchrücken

Erst beim zweiten Hinsehen verstanden wir, dass diese
Prägung auf dem Buchrücken nicht etwa auf den Autoren
sondern auf Markus Cohn als Vorbesitzer hinweist.
Er hinterließ seinem Sohn Gustav Gabriel seine Bibliothek,
die zum Grundstock für dessen Sammlung wurde.

 

Gustav Gabriel Cohn und seine Söhne Nathan Walter und Simon überlebten den Holocaust nicht. Adolph Cohn und seine Familie musste bis Kriegsende immer wieder ihr Versteck wechseln. Seine Söhne Michal und Uriel, 2- bzw. 5jährig, waren, oft auch getrennt von den Eltern, auf Bauernhöfen untergebracht. Sie überlebten mit viel Glück. Adolphs Sohn Uriel Cohn lebt heute in der Nähe von Jerusalem und wird die Bücher wieder in die Obhut der Familie nehmen.

Die Provenienzrecherche gestaltete sich als aufwendig, da immer neue Besitzvermerke auch auf die Bibliothek Gustav Gabriel Cohns zurück zu führen waren.

Dazu gestaltete sich der Versand nach Israel als kompliziert, konnte nun aber mit Hilfe des Auswärtigen Amtes erfolgen. Aus logistischen Gründen wurden zunächst 10 Bücher restituiert. Drei Bände stammen aus dem 16. Jahrhundert und gehörten damit zu den ganz frühen Buchdrucken. Das Werk von Yitsḥaḳ Natan ben Ḳalonimus stammt dabei aus den Beständen des “Instituts für die Geschichte der deutschen Juden”, das sich für diese Restitution mit der Stabi zusammengetan hat:

Auch alle anderen nun restituierten Bände lassen sich noch im Katalog einsehen und ihre Raubgut-Geschichte nachvollziehen. Für die noch in den Stabi-Beständen verbliebenen Bücher aus der Sammlung Cohn soll ebenfalls schnellstmöglich im Einvernehmen mit den Erben eine Lösung gefunden werden. Ende Februar wird nun auch ein Stolperstein für Gustav Gabriel Cohn verlegt werden.


Books from Gustav Gabriel Cohn’s library restituted

On January 22nd, the Hamburg State and University Library was able to send 10 books on their way to Israel. All of these Hebraic volumes originally came from the library of Gustav Gabriel Cohn, a Hamburg based broker-dealer who had compiled a large private collection of Jewish religious literature in the course of his life.
Presumably as part of the confiscated property after his deportation, Cohn’s books came to the holdings of the Stabi, where they were discovered as part of the hitherto uncatalogued so-called “historical stock” only much later.

Gustav Gabriel Cohn was born in Rawitsch in what was then Posen, the son of the Jewish religion teacher Markus Cohn and his wife Pauline née Brie. As a young man he went to Berlin, where he spent about ten years and completed his education at the Rabbinical Seminary. Still in Berlin, he then decided for a secular career as a banker and financial broker.

He stayed in Hamburg since about 1887, where he lived with his growing family since about 1900 in a spacious apartment in Grindelallee 166 , in which he expanded his library for almost four decades. His six sons were born between 1893 and 1910.

Since 1933, the Cohn family had been torn apart by the progressive persecution. Gustav Gabriel Cohn’s wife Ella died young in 1917. In 1935 the sons Adolph (Netherlands) and Leon (Palestine) went into exile. Marcus followed Adolph to the Netherlands in 1937, later went via London to Argentina. Son Simon fled to France in 1939. Only Nathan Walter stayed in Hamburg. Gustav Gabriel Cohn himself had to change houses several times. He first moved to a smaller apartment in the Klosterallee. In 1942 he was forced to live in Dillstrasse 15, one of the so-called “Judenhäuser” in which Jews were quartered in very cramped conditions.

He probably took at least part of his library there. Jakob Katzenstein, a friend of Cohn, described Cohn’s relationship with his books after the war: “At the time of Mr. Cohn’s deportation, I was still in Hamburg and saw Mr. Cohn one day before the deportation. […] The thought that Mr. Cohn voluntarily gave away his library or parts of it is simply absurd. […] Even serious economic hardship could not have caused Mr. Cohn to give up his books. I’m even convinced that Mr. Cohn would have preferred to go hungry rather than part with his books.“

The persecution took on life-threatening traits for Gustav Gabriel Cohn and his sons in the summer of 1942. On July 11th 1942, Nathan Walter Cohn was deported from Hamburg to Auschwitz at the age of 47. Gustav Gabriel Cohn himself was deported four days later to Theresienstadt. Adolph Cohn, who now had a wife and two children in Amsterdam, went into hiding. In August, Simon Cohn was arrested in France and deported via Drancy to Auschwitz.

Gustav Gabriel Cohn and his sons Nathan Walter and Simon did not survive the Holocaust. Adolph Cohn and his family had to change their hiding place until the end of the war. His sons Michal and Uriel, at the age of two and five, were hidden on farms, often separated from their parents. They were extremely lucky to have survived. Adolph’s son Uriel Cohn now lives near Jerusalem and will take the books of his grandfather back into the family’s possession.

The provenance research turned out to be complicated, as more and more ownership notes were identified as to leading back to the library of Gustav Gabriel Cohn.

The shipping to Israel also proved difficult, but could be realized in the end with the help of the Foreign Office. For logistical reasons, only ten books were restituted as a start. Three volumes date from the 16th century and were thus among the very early printed books:

Yitsḥaḳ Natan ben Ḳalonimus: Meʾir nativ : ha-niḳra ḳonḳordanśiyaś … / [she-ḥiber ha-filosof ha-elohi he-ḥakham R. Mordekhai, Ṿenetsiʾah : Bomberg, [5]284 [1523]

Yaʿaḳov ben Asher: Oraḥ Ḥajim, Venedig : DiGara, 1589

Eliyahu Baḥur (auch Eliya Levita genannt): Sefer ha-ṭaʿamim|| ve-sefer masoret ha-masoret:|| = Accen||tvvm Hebraicorvm Li-||ber unus, ab Elia Iudæo æditus,|| & iam diu desideratus.|| Item liber Traditionum ab eodem conscriptus,|| cui uberrima accessit præfatio, quæ totam hebrai-||cæ linguæ explicat ratione[m], traditq[ue] ea quæ Gram-||maticæ hactenus deesse uidebantur.|| Ex his multa in fauorem studiosorum la-||tinè sunt reddita per Sebast. Munsterum, præ||sertim ea quæ inexercitatum [!] lectorem iuua-||re poterunt…, Basileae : Petrus, 1539.

All other restituted volumes can still be found in the catalog to understand their looted property history. For the remaining books in the Stabi from the collection of Gustav Gabriel Cohn, a suitable solution will also be found as soon as possible in agreement with the heirs. At the end of February, a “Stolperstein” for Gustav Gabriel Cohn will be placed at his last address Dillstraße 15.

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