Kulturtipp zu Ostern: Beethovens «Christus am Ölberge» und das «Heiligenstädter Testament»
9. April 2020
von Markus Trapp — abgelegt in: Aktuelles,E-Medien — 1.832 Aufrufe
Wenn Sie über Ostern Zeit für Kultur finden, haben wir ein Angebot für Sie in Bezug auf ein besonderes Manuskript aus den Schätzen unserer Sondersammlungen. Wie bereits ausführlich im Artikel «Das Heiligenstädter Testament in der Elbphilharmonie» beschrieben, befindet sich Beethovens berühmter Brief im Bestand der Stabi:
Das «Heiligenstädter Testament» wurde in unserem Haus digitalisiert und Sie können diesen bedeutsamen Brief Beethovens in hoher Auflösung in den Digitalisierten Beständen der Stabi herunterladen: https://resolver.sub.uni-hamburg.de/goobi/HANSw24716.
Doch ehe Sie sich das Dokument mit den detailreichen Erläuterungen im oben zitierten Stabi-Artikel näher betrachten, hier unser österlicher Kulturtipp, ein knapp zweistündiger Audio-Mitschnitt des Konzertes vom 11. Februar 2020 an der Oper Bonn, dankenswerterweise am 8.4.2020 veröffentlicht von SWR2:
Ein rätselhaftes Oratorium: „Christus am Ölberge“ von Ludwig van Beethoven ist halb Oper, halb psychologisches Drama von visionärem romantischem Zuschnitt und wirft viele Fragen auf: Meint Beethoven mit „Christus“ vielleicht sich selbst? Manfred Trojahn komponierte dazu eine Art Kommentar, in seinem Einakter „EIN BRIEF“ geht es um einen Künstler voller Selbstzweifel.
Konzertprogramm: Christus am Ölberge / EIN BRIEF
Beethoven Orchester Bonn
Chor der Oper Bonn
Holger Falk (Bariton)
Rainer Trost (Jesus)
Ilse Eerens (Seraph)
Seokhoon Moon (Petrus)
Leitung: Dirk Kaftan
Ludwig van Beethoven:
“Christus am Ölberg”, Oratorium für 3 Solostimmen, gemischten Chor und Orchester op. 85
In der Pause:
Dorothea Bossert im Gespräch mit dem Komponisten Manfred Trojahn
Manfred Trojahn:
“Ein Brief – eine reflexive Szene” für Bariton, Streichquartett und Orchester (UA)
(Konzert vom 11. Februar 2020 in der Oper Bonn)
SWR2 informiert auf seiner Website:
Das Heiligenstädter Testament: Schlüssel zur Deutung?
Immer wieder hat vor allem das 19. Jahrhundert diese Fokussierung auf das innere Drama auf Beethovens persönliche, biographische Situation bezogen. Im Sommer 1802 war Beethoven physisch und psychisch zusammengebrochen. Ihm wurde klar, dass er sein Gehör verloren hatte und seine glänzende Laufbahn als Konzertvirtuose und Dirigent am Ende war. Eine ausweglose Situation, ein Schicksalsschlag.
In Heiligenstadt, wohin sein Arzt ihn zur Erholung geschickt hatte, suchte Beethoven sein inneres Gleichgewicht und nahm nach wochenlangem verzweifelten Ringen sein Schicksal an: Er entschloss sich, offen damit umzugehen und einen neuen Weg einzuschlagen, als freier Komponist seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Im Heiligenstädter Testament, einem Brief an seine beiden Brüder, öffnet er seine geheimsten Gedanken und Gefühle und erzählt von diesem Prozess.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hat man Parallelen gesehen zwischen dieser Erfahrung und der Figur des „Christus“ in Beethovens Oratorium. Sogar Textanleihen beim Heiligenstädter Testament wollen manche in diesem Libretto ausgemacht haben. Die Regisseurin Reinhild Hoffmann und die Dramaturgen Thomas Fiedler und Andreas K.W. Meyer greifen diese Deutung auf in ihrer Inszenierung und inszenieren „Christus am Ölberge“ auch als Künstlerdrama. Dabei spannen sie zahlreiche Querverbindungen zwischen Beethovens Oratorium und Manfred Trojahns Einakter „Ein Brief“, den er im Auftrag der Oper Bonn als „Prolog“ zu „Christus am Ölberge“ geschrieben hat.