Digitalisierung der Hamburger Palmblatthandschriften
1. Juni 2018
von MEM — abgelegt in: Schätze der Stabi — 3.103 Aufrufe
Ein Beitrag zur Forschungsförderung und Bestandserhaltung.
Die Welt rückt enger zusammen … zumindest technisch gesehen. Globalisierung und technische Weiterentwicklung lassen zuvor lange Zeit kaum beachtete Handschriften außereuropäischer Kulturen zunehmend in den Fokus der Forschung treten.
478 indische Palmblatthandschriften werden seit dem frühen 20. Jahrhundert in der Stabi Hamburg aufbewahrt – Schriftzeugnisse auf einem für Europäer ungewohntem und zerbrechlich anmutendem Material (Abb. 1). Selbst wer die verschiedenen indischen Schriften wie Grantha, Telugu, Devaganari – nicht lesen kann, nimmt die in die Oberfläche der getrockneten Palmblätter eingeritzten Texte als sehr dekorativ wahr. Dazu trägt auch bei, dass diese Einritzungen meist noch durch die Aufbringung eines rußhaltigen Öls geschwärzt wurden, um ihre Lesbarkeit zu erhöhen.
Die Hamburger Palmblatthandschriften gelangten in mehreren Phasen in den Bestand, d.h. aus dem Nachlass der Indologen Otto Schrader (1909; 20 Handschriften) und Gustav Oppert (1909; ca. 80 Handschriften). Die übrigen Handschriften wurden 1935 vom Hamburger Sammler Bernhard Wiebelitz erworben. Während des Zweiten Weltkrieges waren auch die Palmblatthandschriften ausgelagert.
Das Schriftmaterial ist fragil – ein Umstand, der in der Ursprungsregion in der Vergangenheit die Notwendigkeit mit sich brachte, die Texte immer wieder abzuschreiben und so vor dem Untergang zu retten. Welche Texte auf den Hamburger Palmblatthandschriften überliefert werden, ist aber nur teilweise bekannt. In den Katalogbänden des VOHD (= Verzeichnis der orientalischen Handschriften in Deutschland) ist ein Teil nach modernen Kriterien, meist aber nur deskriptiv erfasst. Der übrige Teil der Sammlung wurde kursorisch durch den renommierten Indologen und Sanskritexperten Raghavan beschrieben.
Um die Erschließung und wissenschaftliche Analyse dieser bislang wenig erforschten Hamburger Palmblatthandschriften zu verbessern, haben der Sonderforschungsbereich 950 Manuskriptkulturen in Asien, Afrika und Europa der Universität Hamburg und die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg ein Kooperationsprojekt eingerichtet.
Derzeit digitalisieren drei Mitarbeiter des SFB die Palmblatthandschriften in der Stabi und stellen so die Grundlage für ein geplantes Forschungsprojekt bereit. Restauratorisch und organisatorisch wird das Projekt von Mitarbeitern der Stabi begleitet (Abb. 2). Dabei gilt es auch, fotografische Herausforderungen zu meistern und die zuweilen nicht mehr oder noch nie mit rußhaltigem Öl geschwärzte, kontrastarme Schrift mittels Streiflicht oder anderer fototechnischer Finessen im Digitalisat gut sichtbar zu machen.
Immer wieder sind aber auch Überraschungen darunter – und zwar nicht nur solche, die hübsch anzusehen sind, wie der hier abgebildete Zierknopf (Abb. 3). An diesem ist eine dünne Schnur befestigt, mittels derer die Palmblätter um der besseren Handhabung und der Sicherung der Blatt-Reihenfolge willen aufgefädelt werden. Vielmehr fand sich auch eine kleine Schachtel mit historischen Münzen darunter (Abb. 4), die es noch zu analysieren gilt …. Insgesamt werden durch dieses Projekt neue Standards in der Kooperation von Stabi und SFB gesetzt – die scientific community und die Handschriften, die nun mit Hilfe der Digitalisate schonender erforscht werden können, profitieren davon.
Für die digitalisierten Bestände: https://digitalisate.sub.uni-hamburg.de/handschriften.html