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Film und Gespräch: Nahkritik in Zeiten des Zusammenbruchs (10.9.)

8. September 2025
von Markus Trapp — abgelegt in: Ausstellungen und Veranstaltungen — 489 Aufrufe

Filmstill: The Cinema of the Men Who Say NoMittwoch, 10.09.2025, um 19:00 Uhr im Vortragsraum.
Eine Veranstaltung der Galerie der abseitigen Künste in Kooperation mit teorema e.V.

Filmvorführung und Reflexion zu der Frage nach den Auswirkungen des 7. Oktober und des Gaza-Kriegs

»Nacht, schlaflose weiße Nacht – so das Desaster, diese Nacht, der die Dunkelheit fehlt, ohne dass das Licht sie erhellt« (Maurice Blanchot).

Im Dialog mit Blanchots Schrift des Desasters (1980) stellt sich der israelische Philosoph Shaul Setter (Bezalel Academy of Arts and Design, Jerusalem) in seinem Essay »Nahkritik in Zeiten des Zusammenbruchs« dem Krieg in Gaza nach dem Massaker der Hamas als einem unfassbaren Ereignis, das er als Symptom eines globalen Zusammenbruchs sieht.

Wir zeigen zuerst den Film von Gideon Bachmann: The Cinema of the Men Who Say No (Drehbuch, Regie, Kamera Gideon Bachmann (Dokumentarfilm), Deutschland, Israel 1989, 43 Min., OmU) – ein Film über israelische Regisseure, die Ende der 80 er Jahre durch ihre Spielfilme ein »Nein« zur Position der Gewalt gegenüber den Palästinensern artikulieren wollten und die Widersprüche eines Landes thematisierten, das in einem Zustand ständiger Militarisierung lebt.

Ursprünglich für das ZDF gedreht aber nie ausgestrahlt, hatte der Film in Italien Weltpremiere im April dieses Jahres (Filmfest Pordenone) und wurde in Deutschland zum ersten Mal im Juni im Abaton Kino aufgeführt.

Bezugnehmend auf den Film stellt der Autor und Philosoph Shaul Setter anschließend sein Essay im Gespräch mit Sebastian Scheerer (Kriminologe und Sozialwissenschaftler) und Peter Ott (Hamburger Filmemacher) vor. Die Diskussion wird übersetzt von John Attfield.

Wie lässt sich über Krieg sprechen, wenn man längst Teil davon geworden ist – emotional, medial, politisch? Wie kann Kritik noch wirksam sein, wenn Nähe, Verwicklung und Sprachlosigkeit überhandnehmen?

»Nahkritik in Zeiten des Zusammenbruchs« sucht eindrücklich eine Antwort auf diese Fragen. Ausgehend vom Krieg in Gaza artikuliert sich darin eine Kritik, die aus der Nähe zum Geschehen spricht. Es geht um eine neue Verantwortung des Denkens im Angesicht von Katastrophe, Propaganda und moralischer Erschöpfung.

Die Autoren:

Shaul Setter: Dozent und Autor in den Bereichen Kunst, Literatur und Theorie an der Bezalel Academy of Arts and Design in Jerusalem. Er schreibt u. a. für Haaretz über das Verhältnis von Ästhetik und Politik in emanzipatorischen wie auch reaktionären Projekten zwischen Europa und dem Nahen Osten. Er ist Herausgeber von der bimestralen Zeitschrift Theory and Criticism. Eine Sonderausgabe mit dem Titel »Critique of War« (Sommer 2024) bildet die Grundlage des bei der Galerie der abseitigen Künste gerade erschienen Essays: »Nahkritik in Zeiten des Zusammenbruchs«.

Gideon Bachmann: Gideon Bachmann (1927) als Sohn jüdischer Eltern in Heilbronn geboren, verbrachte seine Jugend- und Schulzeit in Israel, bevor er nach Ende des Krieges nach Europa zurückkehrte und später in die Vereinigten Staaten reiste. Dort machte er sich einen Namen als Herausgeber von Zeitschriften und als Moderator von Radiosendungen über die lokale wie internationale Filmkultur. 1961 ließ er sich in Rom nieder. Dort knüpfte er Beziehungen zu herausragenden Figuren des italienischen Kinos und drehte selbst mehrere Dokumentarfilme, so zum Beispiel über Fellini, den er in »Ciao, Federico!« (1970) portraitierte. 1968 wurde Bachmann für seinen Film »Protest wofür?« bei den Filmfestspielen in Venedig mit dem silbernen Löwen prämiert. In den letzten Jahren seines Lebens war Bachmann als Mitarbeiter am Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) tätig. Dort verfolgte er bis zu seinem Tod (2016) sein Projekt »Vox humana« – die Archivierung der Stimmen unzähliger Persönlichkeiten aus der Welt des Films.

Das Buch

Blanchot / Setter, Nahkritik, Galerie der abseitigen Künste, August 2025
Das Essay von Shaul Setter steht im Zentrum des zweiten Bandes der neuen Reihe der Galerie der abseitigen Künste Sefiroth zusammen mit Auszügen aus dem Werk von Maurice Blanchot, Die Schrift des Desasters.

Die Reihe Sefiroth, initiiert und geleitet von Fabien Vitali, ist im Juli/August 2025 mit den ersten zwei Bänden gestartet. Der Name Sefiroth, von der mystischen Tradition geborgen, folgt unsere Verlagsreihe im Sinne einer Denkfigur: Jede Ausgabe versteht sich als Teilfunktion eines unbestimmten, dynamischen Ganzen; jede Ausgabe schreibt sich der Herausforderung ein, den Weltzustand nicht aus den bestehenden Sprach- und Begriffsordnungen, sondern über diese hinaus, also anders zu erschließen.

Der Film

Filmstill: The Cinema of the Men Who Say No The Cinema of the Men Who Say No
Drehbuch, Regie, Kamera Gideon Bachmann (Dokumentarfilm) Deutschland, Israel 1989, 43 Min., OmU

Die »Männer, die Nein sagen«, sind in dem Dokumentarfilm des jüdisch-deutschen Filmemachers Gideon Bachmann israelische Filmemacher wie Avram Hefner, Uri Barbash, Rafi Buka’ee, Zeppel Yeshurun, die Ende der 80 er Jahre durch ihre Spielfilme ein »Nein« zur Position der Gewalt gegenüber den Palästinensern artikulieren wollten und die Widersprüche eines Landes thematisierten, das in einem Zustand ständiger Militarisierung lebt, der durch den Ausbruch der ersten Intifada (1987) noch verschärft wurde. In der Überzeugung, dass „das Kino die Realität nicht verändern, aber helfen kann, sie besser zu verstehen“, bringen diese engagierten Filmemacher mit der Kamera ihren entschiedenen Widerstand gegen die antiarabische Politik, die Rekrutierung von Minderjährigen und die wahllose Anwendung von Gewalt zum Ausdruck.

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