NS-Raubgut: Projektendspurt mit Online-Ausstellung und Workshop zu Antiquariatshandel
14. Oktober 2024
von Dr. Wiebke von Deylen — abgelegt in: Aktuelles — 564 Aufrufe
Das Projekt der Arbeitsstelle Provenienzforschung – NS-Raubgut zur Recherche nach verdächtigen Büchern und wertvollen Einzelstücken in den Sondersammlungen der Stabi wurde über mehrere Jahre vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gefördert. Zum Abschluss haben wir noch einmal die Aspekte Öffentlichkeitsarbeit, Vernetzung und Verstetigung in den Fokus genommen. Dies sind zentrale Faktoren für eine erfolgreiche Arbeit, deren Ergebnisse dauerhaft in die Gesellschaft ausstrahlen sollen.
Die neue Online-Ausstellung “Sehr erfreuliche Vermehrungen” ermöglicht Interessierten auch nach Projektende einen Einstieg in die komplexe Thematik der wertvollen und teilweise einzigartigen Bibliotheks-Materialien, die in der NS-Zeit geraubt wurden. Diese Online-Präsentation verstetigt die gleichnamige Ausstellung, die 2022 in der Stabi gezeigt wurde. Sie erlaubt anhand von Einzelschicksalen Einblicke in das Leben verfolgter Sammlerfamilien und dokumentiert verschiedene Formen der Beraubung durch den NS-Staat. Gleichzeitig schildert sie auch einige Rückgaben an die Nachkommen der Verfolgten und deren großzügiges Verhalten der Stabi gegenüber.
Um die Mechanismen des Sammlungsraubs noch besser zu verstehen, haben wir im Rahmen des Projekts einen Expert:innen-Workshop zu Ankäufen in Antiquariaten und Auktionshäusern ab 1933 organisiert, der im Mai 2024 in der Stabi stattfand. Ziel war die Förderung des Fachaustauschs zwischen Provenienzforschenden und Vertreter:innen aus dem Handel über die titelgebenden „Besonderen Zugangswege“. Es ging um Raubgut, das Verfolgten des NS-Regimes meist durch erzwungene Verkäufe abgenommen wurde. Bislang ist diese Thematik vorwiegend im Hinblick auf wertvolle Kunstwerke und Antiquitäten untersucht worden. Jetzt lag der Fokus zum ersten Mal auf Büchern und Autographen.
Auf der Tagungsordnung standen daher Aspekte wie bislang unerschlossene Quellen, zentrale Akteur:innen und Mechanismen des Bücherraubs im damaligen deutschen Herrschaftsbereich, der auch besetzte Länder Europas umfasste. Die Teilnehmenden brachten dazu ihre weitgefächerte Expertise zusammen. Aus dieser Vielfalt an Perspektiven und Beispielen wurden erste Vorgehensmuster deutlich, und es gab einige konkrete Fortschritte bei der Klärung offener Fälle. Daneben wuchs das Verständnis für das Vorgehen der verschiedenen Beteiligten und die Erkenntnis, nicht gegen-, sondern miteinander zu arbeiten. Aufgrund der produktiven Ergebnisse entstand der Wunsch der Teilnehmenden, den begonnenen Fachaustausch fortzusetzen.
Vielleicht kann dazu die bislang im Projekt tätige Provenienzforscherin Anneke de Rudder beitragen, die wir auch nach Abschluss der DZK-Förderung mit einem kleinen Stellenanteil dauerhaft weiterbeschäftigen können. So behalten wir nicht nur eine geschätzte Kollegin in der Bibliothek, sondern auch das im Projekt aufgebaute Wissen, und können damit unsere Arbeit ohne Reibungsverluste fortsetzen. Denn trotz vieler in den letzten Jahren gewonnener Erkenntnisse bleiben in der Forschung zu Hamburger Raubgut nach wie vor viele Fragen offen.