Neuerwerbungen zur Hamburger Musik- und Theatergeschichte – darunter Brief an Schiller
28. Januar 2022
von Redaktion — abgelegt in: Hamburg,Schätze der Stabi — 1.684 Aufrufe
Von Jürgen Neubacher.
2021 war es der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg (SUB) möglich, für ihre Autographensammlung (genannt „Literatur-Archiv“) und in Ergänzung anderer Bestände einige herausragende Stücke zur Hamburger Musik- und Theatergeschichte zu erwerben.
Dazu zählt ein eigenhändiger Brief des von 1793 bis 1814 mit Unterbrechungen in Hamburg als Theatermusiker und freischaffender Künstler tätigen Violinvirtuosen und Komponisten Andreas Romberg (1767–1821), von dem die SUB unter ihren Musikhandschriften einen bedeutenden Teil seines kompositorischen Nachlasses verwahrt. Das an seinen Vetter Johann Christoph Schlüter gerichtete Schreiben Rombergs vom 29. April 1810 erhellt den Entstehungshintergrund eines weiteren Dokuments, das sich bereits seit 1916 im Besitz der SUB befindet: ein eigenhändiges Werkverzeichnis mit Stand von 1810, dem Romberg eine Lebensskizze vorangestellt hat. Klar ist nun durch die Zusammenführung der beiden aufeinander bezogenen Dokumente, dass das Werkverzeichnis (mit Biographie) auf Anforderung der Herausgeber eines Pariser „Dictionnaire historique de Musique“ verfasst wurde (Romberg hielt sich in den Jahren 1800–1802 mehrfach in Paris auf). Wegen Versäumens des Ablieferungstermins wurde es aber nie abgeschickt und folglich auch nicht publiziert. Bei dem im Brief genannten Lexikon handelt es sich fraglos um das zweibändige, 1810 und 1811 in Paris erschienene Dictionnaire historique des musiciens von Alexandre Etienne Choron und François Joseph Fayolle, in dem zwar ein kurzer Artikel für Rombergs Vetter Bernhard Romberg enthalten ist, einer für den bedeutenderen Andreas Romberg jedoch fehlt.
Zu den Neuerwerbungen zählt des weiteren ein eigenhändiger Brief des Hamburger Theaterdirektors Friedrich Ludwig Schröder (1744–1816) vom 18. Oktober 1791 an den Wiener Schauspieler Jacob Herzfeld (1762–1826), den Schröder noch im selben Jahr nach Hamburg holte (Herzfeld wurde 1798 Mitdirektor und 1812 Nachfolger Schröders als Direktor des Hamburger Theaters). Der Brief ergänzt nicht nur einen in der SUB bereits vorhandenen Brief Schröders an Herzfeld vom 20. September 1791 in der gleichen Angelegenheit, sondern bietet auch interessante Einblicke in die damalige Theaterpraxis. Schröder empfiehlt seinem jüngeren Kollegen verschiedene Schauspiele für das Rollenstudium, von denen einige auch auf dem Hamburger Spielplan gestanden hatten.
Besonders wertvoll ist ein noch unveröffentlichter Brief Jacob Herzfelds an Friedrich Schiller vom 19. Januar 1802:
Er dokumentiert – neben einigen bereits im Bibliotheksbestand vorhandenen Briefen Schillers an die Direktoren Schröder und Herzfeld (aus den Jahren 1786–1803) – einmal mehr die durchaus engere Beziehung Schillers und der Hamburger Bühne: „Wohlgebohrner! Höchstzuverehrender Herr Hofrath! […] Haben Sie die Gewogenheit mir mit nächstem Ihre von Gozzi bearbeitete Tragicomödie und die Wallensteine zu übersenden, so wie ich Sie überhaupt ersuche, in Zukunft jede Ihrer dramatischen Arbeiten […] gefälligst hieher zu senden. Es wird nie an der Bereitwilligkeit der Direction liegen, wenn einmahl eins unaufgeführt bleibt, nur bedeutende Local-Verhältniße könnten es hindern.“ Der Brief blieb nicht ohne Wirkung, sandte doch Schiller 1803 zunächst seine beiden Bearbeitungen nach Picard „Der Neffe als Onkel“ und „Der Parasit“, später auch eine von ihm teilweise eigenhändig korrigierte Abschrift seiner „Braut von Messina“ an Herzfeld, wie sich auch andere, mehr oder weniger von ihm autorisierte Bühnenmanuskripte zu insgesamt zehn seiner Theaterstücke (darunter auch die im Brief angedeuteten Stücke „Wallensteins Tod“ und „Piccolomini“ aus der Wallenstein-Trilogie und Schillers Gozzi-Bearbeitung „Turandot“) noch heute unter den seit 1906 im Bestand der SUB verwahrten Inspektionsbüchern des Hamburger Stadttheaters befinden (Signaturengruppe „Theater-Bibliothek“). Sie wurden in wichtigen Fällen als Quellen für die Schiller-Nationalausgabe herangezogen.
Schließlich konnten noch 29 eigenhändige Briefe des zwischen 1883 und 1893 am Hamburger Carl-Schultze-Theater tätigen Komponisten Rudolf Dellinger (1857–1910) erworben werden, gerichtet an den Wiener Künstleragenten Gustav Lewy und zumeist aus Dellingers Hamburger Zeit stammend.
Sämtliche Briefe und Bühnenmanuskripte (noch nicht die neuerworbenen) sind im Handschriftenkatalog HANS der SUB verzeichnet, der demnächst in den Kalliope-Verbund, das nationale Nachweisinstrument für Nachlässe, Autographen und Verlagsarchive, migrieren wird.