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Hamburg, Carl von Ossietzky

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Die Hamburger Hebraica sind online!

22. Januar 2019
von MEM — abgelegt in: E-Medien,Hamburg — 5.120 Aufrufe

Das Digitalisierungsprojekt der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg in Kooperation mit der National Library of Israel.

Im Februar 2018, pünktlich zum 70jährigen Staatsjubiläum Israels, konnte das Kooperationsprojekt der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky (SUB) mit der National Library of Israel (NLI) zur Digitalisierung sämtlicher hebräischer Handschriften der SUB abgeschlossen werden, das mit einem Besuch des Chairman der NLI, Mr. David Blumberg, am 3. Juni 2014 in Hamburg begonnen hatte. Damit sind die Digitalisate von über 500 hebräischen Handschriften der SUB in einem weltumspannenden Projekt verfügbar. Es wurde von der NLI angeregt, um die hebräischen Handschriften aus aller Welt in einem Portal zusammenzuführen. Auf deutscher Seite wurde das Vorhaben finanziell unterstützt von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), Frau Staatsministerin Prof. Monika Grütters, und koordiniert von der Deutschen Nationalbibliothek. Außer der SUB waren mit ihren großen Hebraica-Beständen an dem Projektkonsortium beteiligt die Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, die UB Johann Christian Senckenberg Frankfurt, die UB Leipzig und die Bayerische Staatsbibliothek München.

 

Das Projekt

Abb. 1 Medienwerkstatt der Stabi: HIT Homrich Scanner (für hochauflösende Digitalisate)

Abb. 1 Medienwerkstatt der Stabi: HIT Homrich Scanner (für hochauflösende Digitalisate)

Die Hamburger hebräischen Handschriften waren in den Jahren 1953 und 1969/70 in den Räumen der Bibliothek durch die Firma Bode Mikrofilm Hamburg verfilmt worden. Die Masterfilme der ersten Tranche von 318 Handschriften wurden 1953 dem Institute of Microfilms of Hebrew Manuscripts (Jerusalem) übergeben, während 1970 die SUB Negativfilme behielt und jeweils ein Positiv-Duplikatfilm nach Jerusalem ging. Im Rahmen des Projekts wurden generell die Mikrofilme für die Digitalisierung genutzt, die Handschriften von besonderem Wert und herausragender ästhetischer Qualität ausgenommen, die möglichst vom Original gescannt werden sollten. Insgesamt beträgt der Anteil der vom Original in der Medienwerkstatt der SUB mit einem HIT Homrich Scanner und einem Wolfenbütteler Buchspiegel digitalisierten Handschriften 114 Objekte mit 28.344 Seiten (Abb. 1–2).

Abb. 2 Medienwerkstatt der Stabi: Wolfenbütteler Buchspiegel (für Handschriften und Bücher mit geringerem Öffnungswinkel)

Abb. 2 Medienwerkstatt der Stabi: Wolfenbütteler Buchspiegel (für Handschriften und Bücher mit geringerem Öffnungswinkel)

Die Metadaten für die Verlinkung der Digitalisate wurden auf der Grundlage der Kataloge von Moritz Steinschneider sowie Ernst Róth und Hans Striedl in der PICA-Datenbank des Gemeinsamen Bibliotheksverbundes (GBV) erstellt. Die bereitgestellte Datenmaske berücksichtigte für einen Mindeststandard Anforderungen des bibliothekarischen Regelwerks zur Katalogisierung von Veröffentlichungen RDA (Resource Description and Access) sowie TEI (Text Encoding Initiative) als Dokumentenformat zur Kodierung und zum Austausch von Texten. Das Metadatenset wurde in die Digitalisierungsplattform Kitodo der SUB eingelesen. Mit der Aufbereitung aller Daten sind die Hamburger hebräischen Handschriften nunmehr sowohl im Ktiv-Portal der NLI „The International Collection of Digitized Hebrew Manuscripts“ als auch in den „Digitalisierten Beständen“ der SUB präsent.

Mit dem Abschluss des Digitalisierungsprojekts und der Online-Präsentation der Digitalisate in Hamburg und Israel – wofür hier ausdrücklich und herzlich allen Beteiligten gedankt sei – ist ein wichtiges Fundament für die weitere Erforschung dieser Hamburger Sammlung an Hebraica gelegt.

Die Sammlung

Abb. 3 Kupferstich SUB Hamburg: Zacharias Conrad von Uffenbach (1683–1734)

Abb. 3 Kupferstich SUB Hamburg: Zacharias Conrad von Uffenbach (1683–1734)

Der Wert der Hamburger Hebraica für die Analyse der jüdischen Buchkultur ist bedeutend, und zwar nicht nur aufgrund der repräsentativen Anzahl an hochwertigen oder illuminierten Manuskripten, sondern auch aufgrund seltener Texte im Bestand.

Mit der Signaturengruppe der rund 360 Codices hebraici gehört ein Sammlungskern zum Handschriftenbestand der SUB, der großenteils auf die von dem Frankfurter Patrizier Zacharias Conrad von Uffenbach (1683–1734; Abb. 3) zusammengetragenen, über die Gebrüder Johann Christoph (1683–1739) und Johann Christian Wolf (1690–1770) an die damalige Stadtbibliothek gelangten hebräischen Manuskripte zurückgeht.

Vor allem der ältere Johann Christoph Wolf galt im frühen 18. Jahrhundert als führender deutscher Hebraist, als Religionsgeschichtler und Gräzist von Rang, als einer der maßgeblichen neutestamentlichen Philologen. Später kamen weitere Handschriften dazu, so z.B. durch Pastor Christian Theophil Unger (gest. 1719), einige wenige Stücke über den bedeutenden Koranübersetzer und Hauptpastor an der Hamburger Katharinenkirche Abraham Hinckelmann (gest. 1695) sowie über Joachim Morgenweg, Pastor des Hamburger Waisenhauses (gest. 1730) und Benjamin Mussaphia Fidalgo (gest. 1801) von Altona.

Der zweite Sammlungskern an hebräischen Handschriften umfasst die 1906 von der damaligen Stadtbibliothek angekaufte namensgebende Sammlung des Hamburger jüdischen Rechtsanwaltes Baruch Heimann Levy. Dieser hatte sie 1812 seinen sechs Söhnen hinterlassen, wonach sie durch einen Enkel gleichen Namens noch auf einen Bestand von 180 Manuskripten ausgebaut wurde.

Abb. 4 SUB Hamburg, Cod. hebr. 37 (frühes 15. Jh.), fol. 1r Sammelhandschrift mit Sidur (Gebetbuch) mit Darstellung der Opferung Isaaks im oberen Bildstreifen

Abb. 4 SUB Hamburg, Cod. hebr. 37 (frühes 15. Jh.), fol. 1r Sammelhandschrift mit Sidur (Gebetbuch) mit Darstellung der Opferung Isaaks im oberen Bildstreifen

Unter diesen hebräischen Manuskripten sind zahlreiche Bibelhandschriften sowie Werke der jüdischen Exegese, Gebet-, Regel- und Kommentarliteratur, Schriften aus den Bereichen der Philosophie, der Poesie und Sprachkunde, außerdem naturwissenschaftliche, medizinische und astronomische Texte. Geschrieben wurden sie vorwiegend im europäisch-aschkenasischen und damit im deutschen Raum. Auch zeitgenössisch kontrovers diskutierte theologische Werke sefardischer Autoren gelangten damit in die Sammlung, die teilweise die Positionen der französischen Aufklärung vorwegnahmen. Unter den Codices Levy sind zudem über 40 Handschriften, die im Orient, d.h. im Irak, Syrien, Persien, Kurdistan oder im Jemen entstanden.

Zu den Spitzenstücken der Hebraica-Sammlung zählen illuminierte Handschriften, darunter Cod. hebr. 37 (Abb. 4), eine reich mit Miniaturen und Initialen ausgestattete Sammelhandschrift aus dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts mit liturgischen Texten, einem Buch der Bräuche, einem Gebetbuch für Feiertage (mahzor mit Haggada), Klageliedern und Bibeltexten, außerdem Cod. Levy 19 (Abb. 5), eine Bibelhandschrift des frühen 14. Jahrhunderts, die sowohl die Tora mit Targum Onqelos, Haftarot, Megillot mit Targum und Buch Hiob als auch den Rashi-Kommentar enthält. In dieser Handschrift hat sich ein Schatz seltener Bild- und Zierformen erhalten wie die rätselhaft anmutende Seite mit der bildlichen Hommage an den namentlich bekannten Schreiber und Illuminator der Handschrift Yishaq Sofer ben Eliyahu Hazzan (fol. 625r).

Abb. 5 SUB Hamburg, Cod. Levy 19 (frühes 14. Jh.), fol. 625r Kommentierte Bibelausgabe, hier mit Kolophon des Schreibers und Miniatur

Abb. 5 SUB Hamburg, Cod. Levy 19 (frühes 14. Jh.), fol. 625r Kommentierte Bibelausgabe, hier mit Kolophon des Schreibers und Miniatur

Abb. 6 SUB Hamburg, Cod. hebr. 345 (18. Jh.): Ester-Rolle

Abb. 6 SUB Hamburg, Cod. hebr. 345 (18. Jh.): Ester-Rolle

Abb. 7 SUB Hamburg, Cod. Levy 22 (1751; Altona): Haggadot; Durchzug durchs Rote Meer

Abb. 7 SUB Hamburg, Cod. Levy 22 (1751; Altona): Haggadot; Durchzug durchs Rote Meer

Zu den erlesenen oder mit kostbarer Buchmalerei ausgestatteten Stücken gehören auch Prachtstücke wie die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ausgeführte Pessach-Haggada (mit mahzor) Cod. hebr. 155 oder die erst durch eine Schenkung aus der Bibliothek des russischen Fürsten Wassili Sergejewitsch Trubetzkoi (gest. 1841) in den Hamburger Bestand gelangte Ester-Rolle Cod. hebr. 345 (Abb. 6), die durch ihre lebhafte Farbigkeit und ausgelassene Szenen einer heiteren Festlichkeit besticht. Möglicherweise verdankt diese Ester-Rolle ihre besondere, z.T. einzigartige Gestaltung dem Einfluss szenischer Purim-Spiele – also im weiteren Sinne dem rituellen Kontext des Purim-Festes als Ereignis, bei dem an die Rettung des jüdischen Volkes aus drohender Gefahr in der persischen Diaspora erinnert wird. Für diesen Zweck sind Ester-Rollen generell bestimmt. Hingegen gehört Cod. Levy 22, eine reich illuminierte Pessach-Haggada (d.h. Erzählung und Handlungsanweisungen für den Sederabend am Pessach-Fest), zu den Glanzstücken der späten Blüte jüdischer Buchproduktion im 18. Jahrhundert . 1751 wurde die Handschrift von dem zwischen 1739 und 1755 in der jüdischen Gemeinde in Altona ansässigen Uri Feibusch mit 17 ganzseitigen und 45 kleinformatigen Miniaturen ausgestattet (Abb. 7).

Abb. 8 SUB Hamburg, Cod. hebr. 9, fol. 2r (Anfang 13. Jh.; digitalisierter Mikrofilm): Schriften der Propheten

Abb. 8 SUB Hamburg, Cod. hebr. 9, fol. 2r (Anfang 13. Jh.; digitalisierter Mikrofilm): Schriften der Propheten

Unter den Texthandschriften ragen zum Beispiel Cod. hebr. 9 (Abb. 8) als eine der ältesten des Hamburger Hebraica-Bestandes heraus. Die darin enthaltene Sammlung mit den Schriften der Propheten wurde wahrscheinlich zu Beginn des 13. Jahrhundert geschrieben und in nachfolgender Zeit noch durch zahlreiche interlinear und marginal notierte spätalemannische Glossen ergänzt.

Abb. 9 SUB Hamburg, Cod. hebr. 32, fol. 125r (um 1325): Exegetische Sammelhandschrift

Abb. 9 SUB Hamburg, Cod. hebr. 32, fol. 125r (um 1325): Exegetische Sammelhandschrift

Eine absolute Rarität ist der nur in Cod. hebr. 32 (Abb. 9), einer Sammelhandschrift mit Exegese zur Tora, den fünf Megillot und dem Buch Hiob, erhaltene Kommentar Rashbams zum Buch Kohelet, der um 1325 entstand. Einen ähnlichen Seltenheitscharakter haben Manuskripte wie Cod. hebr. 144, ein jiddisches gereimtes Esterbuch von 1631, das als der einzige Textzeuge dieser Dichtung gilt, oder Cod. Levy 156 (Abb. 10), eine historische Erzählung über den Raubüberfall eines Deutschen auf den Amsterdamer Juwelenhändler David Curiel im Jahre 1628. Ähnlich wie die Ester-Rollen erinnert sie an den Jahrestag eines historischen Ereignisses. Wenn auch der Text des Überfalls auf anderen Schriftträgern überliefert ist, so stellt doch die Verwendung der Rollenform in diesem Zusammenhang eine Singularität dar.

Abb. 10 SUB Hamburg, Cod.Levy 156 (17. Jh.): Curiel-Rolle mit Erzählung über den Raubüberfall auf den namensgebenden Amsterdamer Juwelenhändler David Curiel

Abb. 10 SUB Hamburg, Cod.Levy 156 (17. Jh.): Curiel-Rolle mit Erzählung über den Raubüberfall auf den namensgebenden Amsterdamer Juwelenhändler David Curiel

Verwendete Literatur und Links (letzter Zugriff 22.01.2019)

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