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Hamburger Theaterfrühling 2015

27. Januar 2015
von JN — abgelegt in: Ausstellungen und Veranstaltungen,Hamburg — 5.379 Aufrufe

Frischen Wind in die Annalen der Hamburger Theatergeschichte bläst ein Theaterfrühling der besonderen Art, wie er sich in den Tagen zwischen dem 11. und 22. März 2015 an der Universität Hamburg präsentieren wird.

Carl Heinrich Kitzerow: Das Ackermannsche Comödienhaus, Aquarell, Hamburg 1832 (SUB, Theatersammlung, G 31) Zunächst werden zwei Konzerte des Ensembles barockwerk hamburg am 11. und 12. März (PDF) im imposanten Lichthof der Staats- und Universitätsbibliothek mit zwei komisch-heroischen Ritter-Opern von Georg Philipp Telemann und Johann Adam Hiller auf Texte von Daniel Schiebeler das frühe deutsche Singspiel wiederaufleben lassen und an das Hamburger Theaterleben der 1760er Jahre erinnern – jene Zeit also, die heute vor allem durch die Figur der Komödiantin Rosina aus Petra Oelkers historisch-fiktiven Kriminalromanen bekannt ist. In der darauffolgenden Woche findet vom 19. bis 22. März (PDF) im Musikwissenschaftlichen Institut der Universität die Tagung Bühne und Bürgertum. Das Hamburger Stadttheater 1770–1850 statt, veranstaltet vom DFG-Projekt „Bühne und Bürgertum“ der Universität.

Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an das 2015 zu feiernde 250-jährige Jubiläum des am 31. Juli 1765 eröffneten sogenannten Ackermannschen Comödienhauses. Es war am Ort der baufällig gewordenen alten Gänsemarkt-Oper von der Schauspielergesellschaft Conrad Ernst Ackermanns neu errichtet worden und blieb bis zu seiner Ablösung durch das 1827 eingeweihte Stadttheater die wichtigste Bühne Hamburgs.

Don Quichotte und Sancho Pansa, Zeichnung von Birgit Kiupel, Hamburg Georg Philipp Telemanns singspielartige Serenata Don Quichotte auf der Hochzeit des Comacho wurde erstmals am 5. November 1761 im neuen Konzertsaal auf dem Kamp aufgeführt. Es handelt sich dabei um einen damals hochaktuellen Beitrag Telemanns zur Entwicklung des deutschen Singspiels, auch wenn hier die Dialoge noch rezitativisch gesungen statt, wie später, gesprochen werden. Mit der Vertonung der komischen Geschichte um den Ritter Don Quichotte und seinen Knappen Sancho Pansa (s. Abb. rechts) reagierte Telemann erkennbar auf die Erfolge der zwischen 1758 und 1763 in Hamburg gastierenden Kochschen Schauspielergesellschaft, für die Telemanns Textdichter – der damals knapp 20-jährige Hamburger Gymnasiast Daniel Schiebeler – mehrere Theaterprologe verfasst hatte. Nicht nur Schiebeler als Dichter des Don Quichotte, sondern auch Telemanns noch jugendliche Kirchensänger Johann Friedrich Hellmuth und Johann Anton Huck, die wohl ebenfalls an der Aufführung des Don Quichotte beteiligt waren, wurden damals vom Theaterbazillus befallen (der erste war wenige Jahre später Korrepetitor unter Theaterdirektor Ackermann, schloss sich danach als Sängerschauspieler den Theatertruppen von Kurz, Sebastiani, Marchand sowie Großmann an und brachte es bis zur Festanstellung am markgräflichen Hoftheater in Schwedt; der zweite reiste ab 1765 zunächst ebenfalls mit Sebastiani und Marchand durch die Lande und kam ab 1778 als Hofschauspieler in München mit Rollen wie dem Hamlet oder dem Osmin in Mozarts Die Entführung aus dem Serail zu einigem Ruhm).

Johann Adam Hiller: Lisuart und Dariolette, Partiturabschrift um 1769 (SUB, ND VII 187) Schiebeler dagegen verschlug es im Anschluss an sein Don-Quichotte-Abenteuer mit Telemann als Student zunächst nach Göttingen, dann nach Leipzig, wo er ab 1765 auf Johann Adam Hiller, einen aufstrebenden Lied- und Singspielkomponisten, traf. Ergebnis dieser Begegnung war das Singspiel Lisuart und Dariolette (s. Abb. links u. unten), das – 1766 in Leipzig uraufgeführt – noch Jahrzehnte später wohlwollende Beachtung durch Goethe erfuhr.

Wie schon im Don Quichotte steht auch in Lisuart und Dariolette das Motiv des umherirrenden Ritters im Mittelpunkt, der von einem Diener begleitet wird, was einen heiter-satirischen Spannungsbogen zwischen höherem und niederem Stand ermöglichte und somit auch dem Komponisten Gelegenheit zu entsprechenden Differenzierungen und Stilisierungen bot. Lisuart und Dariolette fand rasche Verbreitung, darunter Aufführungen 1767 in Wien und 1769 in Schiebelers Heimatstadt Hamburg.

Titelillustration zu Johann Adam Hiller: Lisuart und Dariolette

Wohl gerade die Singspiele waren es, die neben den Schauspielen das Hamburger Publikum immer wieder ansprachen und zu einem kontinuierlichen Aufschwung des Theaterlebens der Hansestadt ab 1765 entscheidend mit beitrugen. Dieses gemischte Repertoire aus Sprech- und Musiktheater (Lust- und Trauerspiele, Ballette, Singspiele sowie ins Deutsche übersetzte italienische und französische Opern) steht im Fokus des am Institut für Germanistik (Prof. Dr. Bernhard Jahn) und am Musikwissenschaftlichen Institut (Prof. Dr. Claudia Maurer Zenck) angesiedelten DFG-Projekts Bühne und Bürgertum. Ausgehend von den in der Staats- und Universitätsbibliothek aufbewahrten Beständen des Hamburger Stadttheaters und seiner Vorgängerbühne (Theaterzettel, Theatertextbücher, musikalische Aufführungsmaterialien) wird erstmals das Repertoire einer städtischen Bühne genauer in den Blick genommen und untersucht, wie weit es sich von dem der weit besser erforschten höfischen Theater unterscheidet. Die Tagung dient dem Austausch erster Ergebnisse zwischen den beteiligten sowie weiteren interessierten Wissenschaftlern und ist der Öffentlichkeit zugänglich.

Dr. Jürgen Neubacher
Sondersammlungsreferent Musik und Theater

Eine Antwort zu “Hamburger Theaterfrühling 2015”

  1. […] Konzert steht im Rahmen des Hamburger Theaterfrühlings, den wir hier im Blog bereits […]

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