In memoriam Prof. Dr. Horst Gronemeyer (1933 – 2024)
13. Dezember 2024
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Kurz vor seinem 91. Geburtstag ist Prof. Dr. Horst Gronemeyer am 29.11.2024 in Kiel verstorben. Er leitete die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky zwei Jahrzehnte lang – vom 1.11.1978 bis zum 31.12.1998.
Horst Gronemeyer hat sein berufliches Leben der Sache der Wissenschaft in Hamburg und in Norddeutschland gewidmet. Am 16. Dezember 1933 in Altona geboren, studierte er von 1953 bis 1961 an der Universität Hamburg Literaturwissenschaft, Germanistik, klassische Philologie, Philosophie und Pädagogik. 1961 wurde er mit einer Arbeit über die Geschichte der deutschen Vergil-Übertragungen mit besonderer Berücksichtigung Rudolf Alexander Schröders promoviert.
Nach einem Lektorat für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Edinburgh in Schottland wurde er 1963 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. Im November 1975 übernahm er die Funktion des Stellvertretenden Direktors und Leiters der Benutzungsdienste, im November 1978 wurde er zum Leitenden Direktor berufen.
In mehr als sechs Lebensjahrzehnten und 35 aktiven Berufsjahren prägte er das Bibliothekssystem der Freien und Hansestadt Hamburg und Norddeutschlands – als Mitglied der Bibliotheksausschüsse der Universität Hamburg und der Technischen Universität Hamburg-Harburg, des Verwaltungsrats der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen und der Stiftung Centralbibliothek für Blinde sowie seit 1996 der Verbundleitung des Gemeinsamen Bibliotheksverbunds, an dessen Gründung er maßgeblich beteiligt war. Am 16. Dezember 1998 wurde er von Wissenschaftssenatorin Krista Sager in den Ruhestand verabschiedet und vom Präsidenten der Universität Hamburg, Jürgen Lüthje, mit der Verdienstmedaille der Universität ausgezeichnet.
Von 1981 bis 1998 wirkte Prof. Gronemeyer im Beirat der Joachim-Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften mit, aus der heraus 2005 die Akademie der Wissenschaften in Hamburg gegründet wurde, deren Mitglied Prof. Gronemeyer bis zu seinem Tod war.
Die aktive Zeit Prof. Gronemeyers an der Staats- und Universitätsbibliothek war eine Zeit der dynamischen Entwicklung, die vom starken Wachstum der Universität Hamburg, vom Ausbau der Hamburger Hochschullandschaft sowie von der beginnenden Digitalisierung geprägt war. In seine Amtszeit fallen das 500. Jubiläum der Bibliothek im Jahr 1979, der Abschluss des Baus und der Bezug des Hauptgebäudes in den Jahren 1978 bis 1982, die Einführung der EDV-gestützten Ausleihe und Katalogisierung seit 1985, die Einführung des ersten öffentlichen Online-Campuskatalogs im Jahr 1996 und einer schrittweisen Ausweitung der Öffnungszeiten.
Ein besonderes Augenmerk seiner Arbeit galt auch den historischen Beständen durch Konversion der Kartenkataloge der nach den dramatischen Bestandsverlusten im Zweiten Weltkrieg wieder aufgebauten Sammlungen sowie die Erschließung und Erforschung der wertvollen historischen Bestände, die nach ihrer Auslagerung in den 1980er und 1990er Jahren aus Berlin, Armenien, Georgien und bis zum russischen Beutekunstgesetz im Jahr 1998 teilweise auch aus St. Petersburg und Moskau nach Hamburg zurückgegeben wurden. Auch über Hamburg hinaus engagierte sich Horst Gronemeyer für die Erhaltung und Erschließung historischer Bestände wie der Bibelsammlung an der Württembergischen Landesbibliothek, der Wolfenbütteler Leichenpredigten, der Eutiner Landesbibliothek sowie beim Aufbau des Inkunabelcensus sowie als langjähriges Mitglied im Sachverständigenausschuss zum Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung.
In die Amtszeit von Prof. Gronemeyer fällt auch die Integration der Linga-Bibliothek für Lateinamerika-Forschung in die SUB, die 1991 durch den Umzug der Bibliothek vom Alsterglacis in den Altbau vollzogen wurde. Horst Gronemeyer gehörte dem Vorstand der Linga-Stiftung seit 1983 an – bis 1999 als Vorsitzender und bis 2021 als geschätzter Ratgeber für seine Nachfolger Peter Rau, Gabriele Beger und Robert Zepf.
In der überregionalen Zusammenarbeit der Bibliotheken engagierte sich Prof. Gronemeyer u. a. im Bibliotheksausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft, als Vorsitzender der Kommission für Ausbildungsfragen des VDB und der Fortbildungskommission.
Bleibende Verdienste in seinem Fach, der Germanistik, erwarb sich Prof. Gronemeyer durch seine Arbeiten über Friedrich von Hagedorn und vor allem durch sein Engagement für die 1962 begonnene Hamburger Klopstock-Ausgabe, deren Forschungsleiter und Hauptherausgeber er seit dem Erscheinen des ersten Bandes im Jahre 1974 war. Die Arbeit an dieser insgesamt 46 Bände umfassenden Ausgabe stehen mit der Arbeit an den Werken VIII, den Grammatischen Gesprächen, kurz vor der Vollendung – wir sind traurig, dass Prof. Gronemeyer den Abschluss dieses großen Vorhabens nicht mehr erleben kann, an dem er fünf Jahrzehnte lang mit Elisabeth Höpker-Herberg, Rose-Maria Hurlebusch, Klaus Hurlebusch und Mark Emanuel Amtstätter arbeitete.
Verdient machte er sich zudem um den Nachkriegsautor Wolfgang Borchert. Nachdem der Nachlass 1976 in die SUB gekommen war, bemühte er sich im Altbau um Präsentationsmöglichkeiten. Als Mitinitiator und Gründungsmitglied der 1988/1989 gegründeten Internationalen Wolfgang-Borchert-Gesellschaft beriet er die Gesellschaft maßgeblich bei wichtigen Entscheidungen und besuchte regelmäßig ihre Versammlungen und Veranstaltungen, zuletzt zwei Wochen vor seinem Tod.
1984 gehörte Prof. Gronemeyer zu den Gründern der Gesellschaft der Freunde der SUB – er gehörte zu den wichtigen Impulsgebern für ihre Arbeit, wirkte als Bibliotheksdirektor in seiner aktiven Zeit im Vorstand mit und blieb der Gesellschaft bis in seine letzten Lebenswochen hinein als Mitglied, als Förderer und regelmäßiger Teilnehmer an ihren Veranstaltungen verbunden.
Das Kollegium der Stabi erinnert sich an Horst Gronemeyer als eine hanseatische Persönlichkeit im besten Sinne, als einen Direktor von großem Format, dem es gelungen ist, an der Bibliothek einen besonderen Geist des Vertrauens und der Zusammenarbeit zu schaffen und der zugleich die Fähigkeit hatte, Klartext zu sprechen, die Dinge beim Namen zu nennen – und der stets das Wesentliche und das Erreichbare im Blick behielt. Bis zuletzt war er der Bibliothek verbunden, als Mitglied der Gesellschaft der Freunde, als Herausgeber der Hamburger Klopstock-Ausgabe, als regelmäßiger Teilnehmer an Veranstaltungen und als Gesprächspartner und Ratgeber.
Prof. Robert Zepf
Direktor der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky