Wissenvermittlung neu gedacht. Weiterentwicklung des Carl-von-Ossietzky-Saals
11. August 2023
von Konstantin Ulmer — abgelegt in: Aktuelles,Baustelle Stabi,Hamburg — 1.763 Aufrufe
Der Carl-von-Ossietzky-Saal in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg wurde 1983 eingerichtet. Ein wichtiges Ansinnen war seinerzeit, das Andenken an Ossietzky als Namensgeber der Stabi räumlich sichtbar zu machen und einen Ort lebendiger historisch-politischer Forschung und Bildung zu schaffen. Dies geschah in Zusammenarbeit mit der Walter A. Berendsohn Forschungsstelle für deutsche Exilliteratur der Universität Hamburg, die ihre Bibliothek im Ossietzky-Saal unterbrachte. Nach vierzig Jahren in der Stabi zieht die „Exilbibliothek“ nun zum 1. Oktober in die neu geschaffene Bibliothek für Geisteswissenschaften in den sanierten Philosophenturm (Von-Melle-Park 6), wo sie als wichtige Sammlung für die Exilforschung sichtbar bleibt und neben den Beständen verwandter Disziplinen stehen wird. Für die Stabi eröffnet sich dadurch die Perspektive, den Carl-von-Ossietzky-Saal im Sinne seiner ursprünglichen Idee als Ort der historisch-politischen Wissensvermittlung und des Austausches weiterzuentwickeln, zu beleben und für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dies tun wir im Rahmen des EU-Projekts „Baltic Urban Knowledge Hubs“ (BALTIC UKH) gemeinsam mit internationalen und lokalen Projektpartnern. Während der Konzeption, Planung und baulichen Umsetzung bleibt der Carl-von-Ossietzky-Saal voraussichtlich bis zum Oktober 2024 geschlossen und wird danach in neuer Form wiedereröffnet.
Zu Carl von Ossietzky
Carl von Ossietzky wurde am 3. Oktober 1889 in Hamburg geboren und begann hier seine journalistische und publizistische Tätigkeit. 1919 zog er als Sekretär der „Deutschen Friedensgesellschaft“ nach Berlin. Hier entstand auch die „Nie-wieder-Krieg-Bewegung“, in der u. a. Kurt Tucholsky und Albert Einstein mitarbeiteten. In den Folgejahren entwickelte sich Ossietzky zum radikal-demokratischen Antimilitaristen. 1926 begann er als Redakteur bei der einflussreichen Wochenzeitschrift „Die Weltbühne“, 1927 wurde er deren Herausgeber. Ossietzkys militärkritische Haltung brachte ihn mehrfach in Konflikt mit der konservativen politischen Justiz. Im Gegensatz zu anderen gefährdeten Demokraten und Intellektuellen blieb Ossietzky – trotz zahlreicher Warnungen – auch nach der Machtübergabe an die Nazis in Deutschland. Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand wurde er verhaftet. Vom Berliner Polizeigefängnis kam er über die Festung Spandau in das KZ Sonnenburg. Bereits nach einigen Wochen war er durch die Haftumstände so stark geschwächt, dass er in der Krankenabteilung untergebracht werden musste. 1934 wurde er ins KZ Esterwegen überführt, wegen seines schlechten Gesundheitszustands 1936 in ein Krankenhaus verlegt.
1935 wurde Ossietzky für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Es entstand eine internationale antifaschistische Kampagne. Die deutsche Regierung sah sich durch das weltweite Engagement unter Druck gesetzt und versuchte, Ossietzky von der Annahme des Preises abzubringen. Ossietzky lehnte dies ab. Im November 1936 wurde ihm rückwirkend der Friedensnobelpreis für 1935 zuerkannt.
Die letzten Monate seines Lebens verbrachte Ossietzky in einem Berliner Krankenhaus unter Polizeibewachung. Am 4. Mai 1938 starb er an den Folgen seiner KZ-Haft.
Das Projekt Baltic Urban Knowledge Hubs (BALTIC UKH)
Im Projekt BALTIC UKH entwickelt die Stabi als Lead Partner gemeinsam mit der Dänischen Königlichen Bibliothek, der Lettischen Nationalbibliothek und der Oslo Metropolitan University einen methodischen Werkzeugkasten zur partizipativen Gestaltung innovativer Räume der Wissensvermittlung. Dabei konzipiert und gestaltet jede der drei Bibliotheken gemeinsam mit lokalen Partnern ein individuelles Pilotprojekt. Die Stabi widmet sich in ihrem Teilprojekt der Neugestaltung des Carl-von-Ossietzky-Saals im Sinne seiner ursprünglichen Widmung als zukunftsfähiger Ort historisch-politischen Wissenstransfers. Sie arbeitet dabei mit der Akademie der Wissenschaften in Hamburg, der Landeszentrale für Politische Bildung und dem Verein für Hamburgische Geschichte zusammen. Die drei Partnerorganisationen bringen nicht nur ihre Kompetenzen im Bereich Wissensvermittlung und Wissenschaftstransfer in das Projekt ein, sondern werden den Raum nach seiner Wiedereröffnung auch für eigene Veranstaltungen nutzen. Das Projekt wird kofinanziert aus Fördermitteln der Europäischen Union im Interreg Baltic Sea Region Programm. Alle Informationen zum Projekt finden Sie unter https://www.sub.uni-hamburg.de/bibliotheken/urban-knowledge-hub/baltic-urban-knowledge-hubs.html