Visuelle Poesie – Literatur und Kunst zugleich
22. März 2021
von Anne Liewert — abgelegt in: Hamburg,Schätze der Stabi — 2.058 Aufrufe
Zum 80. Geburtstag Klaus Peter Denckers
Am 22. März 2021 begeht die Kunst der Visuellen Poesie einen besonderen Festtag, da einer der international bedeutendsten Autoren dieser Gattung seinen 80. Geburtstag feiert: Klaus Peter Dencker, der mit der Stadt Hamburg und der Staats- und Universitätsbibliothek eng verbunden ist, wurde 1941 in Lübeck geboren, begründete aber schon durch sein Studium der Literaturwissenschaft, Japanologie und Philosophie seine wissenschaftliche Laufbahn an der Universität Hamburg und wirkte hier später 17 Jahre lang als Leitender Regierungsdirektor der Kulturbehörde. Besondere Bedeutung und internationale Anerkennung erlangte er als Fernsehschaffender durch etwa 100 Dokumentar- und Experimentalfilme, als Vordenker auf dem Gebiet der experimentellen Literatur (1985 wurde er zum Honorarprofessor für „Medientheorie und Medienpraxis“ ernannt) und nicht zuletzt als Autor der Visuellen Poesie, der Kunst, die in Einzelblättern, Blattfolgen oder Objekten dem Betrachter eine einzigartige Facette der Kombination von Text und Bild, von Theorie, Poesie und Visualisierung nahebringt. 2012 wurde Klaus Peter Dencker das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.
In eben diesem Jahr – 2012 – erwarb die Stabi Denckers Bibliothek und Archiv zur konkreten und visuellen Poesie – beides wird seither in unserer Sammlung „Schönes Buch“ verwahrt und wurde bereits 2016, anlässlich des 75. Geburtstags des Poeten, ausgestellt. Zum heutigen 80. Geburtstag war eine neue Ausstellung geplant, die gemeinsam mit Klaus Peter Dencker realisiert werden und vornehmlich seine neueren Arbeiten präsentieren sollte. Die derzeitige Pandemie machte dieses Vorhaben aktuell leider unmöglich – die Ausstellung wird deshalb zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt. Die Stabi möchte es dennoch nicht versäumen, Klaus Peter Dencker auf diesem Wege die herzlichsten Glückwünsche zum Geburtstag zu übermitteln und Auszüge aus seinem Werk in diesem Beitrag zu präsentieren.
Wie aber lässt sich Visuelle Poesie begreifen? Dencker zufolge ist es sein Bestreben, Literatur zu „versinn(bild)lichen“[1]. Seine Kunst macht Literatur über das Medium Buch hinaus erfahrbar. Visuelle Poesie kann „wie Literatur gelesen und wie bildende Kunst betrachtet werden“[2]. Dies zeigt sich auch in den zahlreichen und vielseitigen Arbeiten, die in der „Sammlung Dencker“ in der Stabi versammelt sind.
Herzstück sind seine künstlerischen und literaturwissenschaftlichen Werke zwischen 2000 und 2012. In verschiedenen Formaten kombiniert Decker vielfältige Elemente: Zahlen und Buchstaben, Bilder und Textfiguren. Sie entstanden zu unterschiedlichen Anlässen und Gegebenheiten, ob privater oder (welt)politischer Natur. Die Arbeiten zur Visuellen Poesie lassen auch eine künstlerische Entwicklung Denckers erkennen, von den Ein-Blatt-Arbeiten bis hin zu Sequenzen, also längeren Blattfolgen, die umfangreichste umfasst 120 Blätter. Dies verschafft dem Poeten die Möglichkeit, längere Geschichten zu erzählen, in denen poetische, theoretische und biografische Dimensionen miteinander verwoben und verknüpft werden.
Die Sammlung innerhalb der Stabi umfasst aber auch das umfangreiche Korrespondenzarchiv des Künstlers mit anderen weltweit agierenden, experimentellen Poeten, das er seit Ende der 1960er Jahre aufgebaut hatte. Auch dieses ist für die kultur-, kunst- und literaturwissenschaftliche Forschung von höchstem Wert, ebenso seine Büchersammlung mit über 1.000 internationalen Publikationen zur Visuellen Poesie, worunter sich sehr seltene Bücher, Ausstellungskataloge, Zeitschriften und grundlegende Anthologien befinden, die seit den 1950er Jahren erschienen sind – Zeugnisse eines über 60-jährigen Ringens um eine literarisch-künstlerische Ausdrucksform über die Gattungsgrenzen hinweg.
Die kontinuierliche Ergänzung der Sammlung durch Herrn Dencker ist für die Stabi ein großer Schatz und Gewinn – erweitert die Sammlung doch auch unser Bestandsspektrum durch außergewöhnlich kostbare Werke und Dokumente. Klaus Peter Dencker übermitteln wir deshalb an diesem besonderen Tag die besten Wünsche für viele weitere gesunde, glückliche und produktive Jahre.
[1] Interview im Hamburger Abendblatt v. 17.10.2020.
[2] Klaus Peter Dencker: Visuelle Poesie II (2016), S. 201.