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“Kulturbarbarei” – Karlsruhe droht der Ausverkauf

26. September 2006
von AP — abgelegt in: Aktuelles — 5.890 Aufrufe

Schon seit letztem Mittwoch ist überall in der Presse vom “Ausverkauf badischer Kulturgüter” zu lesen. Hintergrund ist die höchst umstrittene Einigung des Landes Baden-Württemberg und des badischen Adelshauses, dass die Markgrafenfamilie Kunstschätze im Wert von 70 Mio. Euro zur Veräußerung bekommen soll, um insbesondere ihren Hauptwohnsitz, Schloss Salem am Bodensee, langfristig zu erhalten. Vom Ausverkauf würde vor allem die überregional bedeutende Handschriftensammlung der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe betroffen sein. 3.500 ihrer ca. 4.200 Handschriften müssten dem Adelshaus überlassen werden. Darunter befinden sich Spitzenstücke ottonischer Buchmalerei aus dem 10. Jh., die im Skriptorium des Inselklosters Reichenau, das insgesamt – mit seinen Handschriften – auf der Weltkulturerbe-Liste der UNESCO steht – geschrieben und illuminiert wurden.

“Das ist für uns das Ende als Forschungsbibliothek. Wir sind dann nur noch eine ganz normale Bibliothek.”, äußerte sich entsetzt der Bibliotheksdirektor Peter Michael Ehrle.

Offener Brief an den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg und die Abgeordneten des Landtags von Baden-Württemberg 

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8 Antworten zu ““Kulturbarbarei” – Karlsruhe droht der Ausverkauf”

  1. Claudia Koltzenburg sagt:

    Inhaltlich finde ich den Artikel interessant, allerdings möchte ich gern wissen, wie es zu der Entscheidung kam, diesen Eintrag mit “Kulturbarbarei” zu betiteln?

  2. Antje Pautzke sagt:

    Wenn nationales Kulturerbe, ja sogar Weltkulturerbe, der Öffentlichkeit, der Wissenschaft entzogen und ins Ausland verschleudert werden soll, dann finde ich den Begriff “Kulturbarbarei” für die Missachtung der eigenen Kultur sehr treffend.

  3. kg sagt:

    Den Einwand von Frau Koltzenburg kann ich nicht nachvollziehen. Mir ist kein einziger Wissenschaftler bekannt (ausser dem Wissenschaftsminister Frankenberg von BW, aber der zählt nicht mit), der das Vorhaben NICHT als Kulturbarbarei sieht. Ich finde es gut, dass in diesem Bibliothekslog auf den Fall hingewiesen wird. Die UB Karlsruhe hat als Zeichen der Solidarität eine Unterschriftenliste ausgelegt. Ich habe sie daraufhin gebeten, ein PDF ins Netz zu stellen, damit auch andere Bibliotheken Unterschriften sammeln können, denn die Karlsruher Handschriften gehen nicht nur die Karlsruher an. Wenn ich eine positive Antwort erhalte, werde ich die Internetadresse via INETBIB mitteilen. Weitere aktuelle Informationen unter http://archiv.twoday.net

  4. Meine Nachfrage erläutere ich hier gern in knapper Form: Der Ausdruck
    “Barbarei” trägt meinem Empfinden nach stark rassistische Züge, daher wäre es mir lieber gewesen, es wäre eine andere Eintragsüberschrift als eine mit diesem Schlagwort gewählt worden. Welche Diskurse wir pflegen, hat auch mit Kultur zu tun 🙂

  5. Antje Pautzke sagt:

    Der Vergleich von Barbarei und Rassismus begegnet mir hier zum ersten Mal. Barbarei leitet sich ab vom griechischen Wort bárbaros für nicht Griechisch sprechende Völker und bedeutet so viel wie ungezügelte Roheit. So wird “die nationalsozialistische Gewaltherrschaft von 1933-1945 wegen ihrer Unmenschlichkeit oft als Barbarei oder als Zivilisationsbruch bezeichnet” (vgl. Wikipedia, Barbarei), falls Sie auf diese Vergangenheit und die neo-nationalsozialistische Bewegung heute abzielen.
    Ich kann es nur noch einmal bekräftigen, die logische Konsequenz aus derartiger Ignoranz gegenüber der eigenen Kultur kann nur Verrohung der Kultur und damit Kulturbarbarei sein.

    Auch unter den alten Römern galten z.B. die in ihren Augen nicht zivilisierten Germanen als Barbaren. Sollten sie etwa Recht behalten haben?

  6. Hallo Frau Pautzke,

    nein, ich zielte weder auf die Nazizeit noch auf die aktuellen deutschen neonationalsozialistischen Bewegungen ab.

    Ohnehin müsste ich nach meiner Auffassung in Deutschland – und zumal in Hamburg – gar nicht so weit nach rechts schauen, um Rassismus in öffentlichen Diskursen diagnostizieren zu können.

    Am liebsten halte ich es in diesen Fragen mit Rada Ivekovic, die in den Wochen des stark anwachsenden Nationalismus in den kroatischen öffentlichen Diskursen 1991 zu dem Schluss kam, dass eine Entwaffnung stets auf der eigenen Seite beginnen müsse (“Mit der Entwaffnung bei den anderen zu beginnen, bedeutet Krieg”, Stabi-Signatur A 1995/87, S. 77).

    Da ich den Ausdruck “Kulturbarbarbarei” zuwenig selbstentwaffnend fand, habe ich meine Frage gestellt – und eine weitere Frage würde ich gern loswerden: Sind Sie eigentlich die Autorin dieses Eintrags?
    merci, ck

  7. AP sagt:

    Leider führt die Diskussion viel zu sehr am Thema vorbei. Hauptaugenmerk sollte auf den skandalösen Vorgängen in Karlsruhe liegen und darauf, wie wir die Protestaktionen am wirkungsvollsten unterstützen können, z.B. mit der von Herrn Graf angeführten Unterschriftenliste.

  8. Claudia Koltzenburg sagt:

    @AP
    nun, nichts gegen Protestaktionen, meine war auch eine 🙂

    ansonsten ist dieses Blog ein öffentliches Forum, daher müssen sowohl Autor*nnen also auch Kommentator*nnen damit rechnen, dass Kommentare kommen, die nicht erwartet werden – und auch, dass Fragen nicht beantwortet werden 😉

    Ansonsten viel Erfolg bei den Protesten!

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