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Schätze der Stabi oder „geniale Künstler“

16. Dezember 2019
von Redaktion — abgelegt in: Schätze der Stabi — 1.519 Aufrufe

Von Sophia Kunze.

Wir stellen passend zur Weihnachtszeit einen Fund der Kupferstichsammlung vor!

Die Stabi beherbergt im Bereich der Sondersammlungen eine Kupferstichsammlung von reichlich 3000 Blatt namhafter niederländischer, deutscher, italienischer und französischer Künstler des 16.-18. Jahrhunderts, die im Rahmen eines BMBF geförderten Projektes aktuell erschlossen und digital bereitgestellt werden.

Wer ohne Spoiler rätseln möchte, kann sich die Abbildung anschauen, und versuchen, den „Clou“ selbst zu erkennen.

Die Abbildung zeigt das Blatt aus der Sammlung der SUB, gestochen 1649 in Paris von Claude Mellan. Wir sehen das sogenannte „Schweißtuch der Veronika“ – der Kopf Christi vor einem Tuch, ohne Hals, mit Dornenkrone und leidendem Blick. Nach bereits antiker Überlieferung sei Christus bei einer Frau, Veronika, vorbeigekommen, und hätte sein verschwitztes und schmutziges Gesicht in ein Tuch gedrückt, was fortan sein „wahres Abbild – vera icon (VERONICA)“ getragen habe. Dieses Tuch wurde zum einen als Reliquie in Rom verehrt und bildet zum anderen in der Bildgeschichte das erste und einzig wahre Porträt Christi, auf das sich spätere Darstellungen Christi beziehen.

Claude Mellan war ein französischer Kupferstecher, der nach langem Aufenthalt in Rom nach Paris zurückkehrte und dort seine einzigartige Technik perfektionierte. Normalerweise wird im Kupferstich Hell-Dunkel und damit die Form durch Schraffur erzeugt – je mehr kreuzende Linien an einer Stelle, desto dunkler wird der Bereich. Mellan hingegen bildet den Kopf Christi vor dem faltigen Schweißtuch, inklusive Inschrift und seiner Signatur, aus einer einzigen Linie, die an der Nasenspitze beginnend spiralförmig nach außen läuft. Hell-Dunkel und damit das sichtbare Motiv werden dadurch erzeugt, dass die Dicke der Linie variiert. Wenn man stark hineinzoomt, kann man erkennen, dass Mellan zuerst die durchgängige Linie gezogen hatte, und dann diese an entsprechenden Stellen verstärkt.
Verdichtet wird der „Witz“ des Blattes durch den beigefügten Titel: „FORMATUR UNICUS UNA NON ALTER“ – Mellan zeigt „den Einzigen, keinen anderen, durch eine (Linie)“. Bildinhalt und Technik beziehen sich also aufeinander und ergänzen sich sinnfällig und man kann Mellans Stich, besonders in seiner pedantischen Wiedergabe, als Ausdruck größter christlicher Hingabe (Devotio) lesen. Gleichzeitig handelt es sich bei Mellans Christus um eines der berühmtesten Blätter der grafischen Künste, entsprechend freuen wir uns, einen Abzug im Bestand der SUB zu wissen.

Und auch wenn dieses Blatt eigentlich besser zu Ostern passen würde: Wir wünschen frohe Weihnachten!

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