Erinnerung an die Hamburger Bücherverbrennung
15. Mai 2017
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Von Anna von Villiez.
Am 15. Mai 1933, also vor 84 Jahren, veranstalteten nationalsozialistische Studenten am Kaiser-Friedrich-Ufer nachts eine erste Bücherverbrennung. Etwa 2.000 Bücher verbrannten in den Flammen, die Zerstörungsaktion wurde von einem düsteren Zeremoniell begleitet. Die Bücherverbrennung war Teil der reichsweiten „Aktion wieder den undeutschen Geist“, bei der überall in Deutschland die Bücher verbannt wurden. Begleitet durch den Feuerspruch wie „Gegen Frechheit und Anmaßung, für Achtung und Ehrfurcht vor dem unsterblichen deutschen Volksgeist! Verschlinge, Flamme, auch die Schriften von Tucholsky und Ossietzky!“ brannten auch die Bücher des Stabi-Namenspatrons Carl von Ossietzky, der als Pazifist und Herausgeber der Zeitschrift „Die Weltbühne“ ein missliebiger Autor geworden war für die Nationalsozialisten.
Mit den Bücherverbrennungen und der „Aktion wider den undeutschen Geist“ im Mai 1933 begann die systematische Verfolgung jüdischer, marxistischer, pazifistischer und anderer oppositioneller oder politisch unliebsamer Schriftsteller. Kurz darauf begannen die Suche nach „zersetzendem Schrifttum“ und die Säuberung der öffentlichen Bibliotheken. Immer längere schwarze Listen mit geächteten Autoren wurden in den Bibliotheken abgearbeitet. Am Ende waren die Bücher von über 1200 Autoren und Autorinnen verboten, zum Beispiel weil sie jüdischer Herkunft waren oder oppositionelle politische Meinungen vertraten.
Die Stabi bereitet eine Ausstellung vor, die ab dem 7.09.2017 den Umgang mit „verbotener Literatur“ und NS-Raubgut im eigenen Haus zwischen 1933 und 1945 thematisiert.
Unter dem Titel „‘Schädlich und unerwünscht‘. Verbotene Literatur und NS-Raubgut in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky“ zeigen wir, welche Spuren dieser Zeit der Zensur und der Verfolgung jüdischer Autoren noch heute in den Beständen der Stabi zu finden sind.
Anlässlich historischer Gedenktage sollte immer das konkrete historische Geschehen im Mittelpunkt stellen, wie es auch bei den hier angekündigten Gedenkfeiern der Fall war, und man sollte sich vor einer Instrumentalisierung für Gegenwartszwecke hüten. Auch das Singuläre des “NS” sollte von schnellen Parallelisierungen abhalten. Dennoch kann es sinnvoll sein, in der Gegenwart nach Ansätzen ähnlicher Gefahren zu suchen und dabei auch strukturelle Ähnlichkeiten abstrakterer Art zu sehen. Was nun das Thema “Bücher” angeht, so hat sich m.E. die Feindschaft gegen konkrete Bücher (deren Inhalt skandalisiert wird) teilweise zu einer allgemeinen Buchfeindschaft, zu einem allgemeinen Antiintellektualismus, hin verschoben. Man pfeffert Bücher schon in die Ecke, ohne sie gelesen zu haben und macht die gesamte Buchkultur als solche mundtot. Solche Bestrebungen, die durchaus in einen Extremismus der Mitte (als Mitursache von Faschismus)eingeordnet werden können, haben Teile des Kultur- und Bildungsbereichs längst erfasst und zu einer salonfähigen Buchfeindschaft an falscher Stelle geführt. Eine recht direkte Parallele zu den historischen Bücherverbrennungen könnte hier darin liegen, dass ein Teil der damaligen Motivation Bücher zu verbrennen auch in Überforderungsgefühlen eines bestimmten Studierendenspektrums lag (Abstraktionsfeindlichkeit des “NS”). Diese Überforderung nun wird heute eher links aufgeladen, und man orientiert sich insofern eher an Pol Pot als am als unbequem wahrgenommenen “NS”. Auch deshalb liegt in diesen heutigen Zergackerungen der Buchkultur eher eine Farce als eine Tragödie. Trotzdem sollte ein reflektiertes Gedenken Anlass sein, den buchfeindlichen und tendenziell überforderten Fakultäten (Hass auf verbale Abstraktion) unserer Universität (ich habe da zwei Wackelfakultäten im Auge) Hilfestellung bei der Überwindung von Ängsten vor Intellektualität zu nehmen. Gerade angehenden LehrerInnen muss ein friedfertiger Umgang mit Geist und Buch vermittelt werden; leider war dies bisher in vielen – prominenten und weniger prominenten – Fällen nicht der Fall. Hier brauchen ein bis zwei Fakultäten unserer Hochschule das ermahnende und aufmunternde Wort ihrer Mitbäume im Garten der Erkenntnis – Motto: Bücher beißen nicht, aber sie verschwinden auch nicht, wenn man sie aufreißt, zerfetzt usw. – Nun gilt es, einige Berufene dieser Fakultäten auszuwählen, um ihnen einen nichtzerfetzenden Umgang mit dem Kulturgut Buch zu ermöglichen. Ich wüsste da viele…
Antwort an M. Bublitz:
Ich stimme Ihrer einleitenden Bemerkung voll zu: Aktuelle Debatten sollten eine Instrumentalisierung historischen Gedenkens vermeiden. Die von Ihnen angesprochene Feindlichkeit gegenüber Büchern und Intellektualität an der Uni Hamburg ist mir neu und noch nicht begegnet. Eine Debatte über Scheuklappen oder Tabus in akademischen Diskursen kann dennoch sinnvoll sein. Diese müsste aber sicher an anderer Stelle stattfinden und nicht im Rahmen des Gedenkens an die Bücherverbrennungen und die Verfolgung jüdischer und politisch missliebiger Schriftsteller und Schriftstellerinnen im Nationalsozialismus.
Anna von Villiez