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ARTE-Doku «Buch unter Druck»

16. Oktober 2015
von Markus Trapp — abgelegt in: Aufgelesen — 20.417 Aufrufe

© Siegfried Ressel. Carsten Wist, Literaturladen Potsdam

© Siegfried Ressel. Carsten Wist, Literaturladen Potsdam

Zum Start der Frankfurter Buchmesse hat ARTE diese Woche eine Doku gezeigt, die bis zum 12. Januar 2016 nachgeschaut werden kann. Es zu tun, empfiehlt sich, denn die darin behandelten Fragen sind spannend und in den 60 Minuten ausgewogen behandelt. Es kommen sowohl skeptische als auch optimistische Stimmen zur Zukunft des Buches zu Wort. Der Dokumentarfilmer Siegfried Ressel hat früher selbst einmal eine Buchhandlung betrieben. Die in seinem Film aufgeworfenen Fragen kennt er nur zu gut. Die kontroversen Antworten der engagierten Experten zeigen, dass momentan noch keiner wissen kann, wohin die Reise geht.

Überlebt das Buch? Und wenn ja, in welcher Form? Diese Fragen stellen sich Buchhändler und Verleger genauso wie die Feuilletonisten der Tageszeitungen und natürlich alle Menschen, für die „das Buch“ ein selbstverständlicher Begleiter fürs Leben ist. Denn alles ist anders, seit vor allem Online-Buchhändler wie Amazon den Markt aufmischen, den Verlagen Sonderkonditionen abringen und Autoren zum Self-Publishing auf den firmeneigenen Onlineplattformen ermutigen – zulasten der Verlage und vor allem der lokalen Buchhändler?

Alle Infos auf ARTE: Buch unter Druck – Eine Kontroverse.

5 Antworten zu “ARTE-Doku «Buch unter Druck»”

  1. Wenn es um die Zukunft des Buchs geht, sollte man stärker zwischen verschiedenen Aspekten differenzieren. Für die Verbreitung (und die Bekanntheit) von Büchern ist das Internet eher ein Segen, auch wenn auf amazon fragwürdige Dinge geschehen. Für den Verkauf von Büchern hingegen ist das Internet eher eine Bedrohung, denn die Zahl von Neukunden dürfte den Verlust an zahlenden Lesern nicht ersetzen. Dies trifft insbesondere diejenigen, deren Tätigkeit stark mit dem Buch als physischem Phänomen zu tun hat. Da physisch vorhandene Bücher (und ihre Zusammenstellung) jedoch einen Reiz an sich verströmen und durchaus auch bequemer und beständiger sind als Internet-Dateien, dürfte für (Fach-)Bibliotheken und Buchhandlungen auch in der Zukunft noch Raum sein. Das “Ende des Buchs” wird nicht zuletzt von denen propagiert, die aus dem Internet eine neue Ideologie machen wollen – teils aus dem Bedürfnis nach einem provozierenden Dogma, mit dem man hausieren gehen kann, teils aus unterschwelligen Rachebedürfnissen gegen eine als dominant empfundene Buchkultur, von noch niedereren Beweggründen ganz zu schweigen. Insofern haben wir es wohl auch mit einem “Sturm im Wasserglas” zu tun.
    Spannender – gerade für die Universität Hamburg – finde ich die Frage, ob nicht die vorherrschende Schulpädagogik in den geisteswissenschaftlichen Fächern latent buch- und intellektuellenfeindlich ist und lieber auf mündliche Debatten, Videos und Zeitungsartikel setzt und dabei auch die “Digitalisierung” als Vorwand nutzt. M.E. besteht hier Reformbedarf, und gerade an der Universität Hamburg haben sich nicht alle Didaktiker mit Ruhm bekleckert in den letzten Jahrzehnten – ganz im Gegenteil, der “Druck auf das Buch” wird leider gerade durch eine Didaktik erzeugt, in der Bücher nicht mehr vorkommen. Eine Wissensgesellschaft, die “das Buch” nicht mehr versteht, wird jedoch kaum funktionieren.Hier muss es eine Schadensbilanz und ein möglichst rasches Umdenken geben.

  2. Hans Straubitz sagt:

    Das Buch wird sicher schon aufgrund des von meinem Vorredner angesprochenen haptischen Reizes überleben, wohl aber auch aufgrund seiner lückenlosen Dokumentation von Wissen:

    Noch immer haben es viele Werke nicht ins Netz geschafft und werden dies auch nicht tun. Mein immer noch wöchentlicher Gang in die Stabi (ich bin 54) beweist dies. Die Digitalisierung löst vor allem in der relativen Zugangsoffenheit der Bibliotheken (Stichwort: Öffnungszeiten aller Bereiche und deren ständige Erweiterung) sowie in der Wertabschöpfungskette für Händler sehr viel mehr Druck aus, als noch vor Jahrzehnten.

    Natürlich lese ich mir zumindest das Inhaltsverzeichnis und Teile des Inhalts eines Buches gern zu Hause oder unterwegs auf Reisen, am Laptop durch, um Zeit zu sparen, wenn das Buch nicht von Interesse sein sollte. Sind die Werke in bestimmten Ausgaben allerdings gar nicht online verfügbar – so bleibt auch weiterhin der Gang in die Bibliothek. Dort kann man sich auch mit Gleichgesinnten verabreden, was ich allerdings sträflich vernachlässige, in letzter Zeit.

    Die Digitalisierung verkürzt zudem die Aufmerksamkeitsspanne von Leser_innen, so dass im Netz häufig nur noch Zusammenfassungen oder Rezensionen zu finden sind. Die Ausführlichkeit eines Originals wird auch heutzutage digital nur schwer nachzuvollziehen sein, da eben jede Menge Werke online fehlen.

    Liebe Grüße, H. Straubitz.

  3. Dammann sagt:

    Wichtig ist meiner Meinung nach die Tradition der Schriftlichkeit, der empfindsamen Lese- oder Schreibschrift, deren kulturelle Tradition in Kalligraphie auch vor allem für mich als Musikwissenschaftler, der sich mit verschiedenen historischen Hilfswissenschaften auch beschäftigte, von hohem Wert sind. Ich denke hier nicht nur an die deutsche Forschung, sondern auch an russische Komponisten aus der Schweiz des Paul Sacher Stiftungsssammlung, wobei gerade interdisziplinäre Kontextforschung eine Vorstellung von der Schönheit der Buchgestaltung in Form von Ex libris. Besonders die Illustrationen von Märchen Ivan Bilibins haben hier in Russland einen Tradtionszusammenhang mit Frankreich. Ich denke hier an die Familie Benois der Mir iskusstva. Deutsche Künstler reisten seit Clara Schumann auch nach Petersburg, um eigene Kompositionen oder zeitgenössische Opernparaphrasen oder alte Musik in historischer Aufführungspraxis aufzuführen.eine wechselseitige Beeinflussung zwischen Nationen ist wohl auch für das ziel der Völkerverständigung durch Musik ist ein altbekanntes Phänomen. Ich denke hier an Johann Joachim Quantz “gemischten goût”.

  4. Dammann sagt:

    Musik hat seit der Kontroverse zwischen Kant und Herder zahlreiche Ästhetiken provoziert, nicht zuletzt durch Hermann Lotze, dessen Sentenz, dass “sie entnerve” auch diskutiert wurde. Hamburg hat ein Schiller Denkmal mit den Grazien und dessen Briefe über die ästhetische erziehung des menschen gehört zum Lektürekanon, wobei regelmäßig auch zu Semesterbeginn die frage frei nach Friedrich Schiller aufgeworfen wurde: “was und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?” Um wertbezogene Buchpublikationen auf dem Markt in Antiquariaten beschreiben zu dürfen, sollte man deren geschichtlichen Wertkriterien differenziert wissen oder bewerten wollen. In Auktionskatalogen sind einzelne Rubriken auch für Antiquaria verbindlich vorgesehen, die ersteigert bezahlt zu werden hätten.

  5. Dammann sagt:

    Nach dem Tag der kulturellen Vielfalt und dem Tag des Buches steht in der kommenden Woche ein weiterer Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus bevor. Die Staats- und Universitätsbibliothek sowie das Audi-Max waren veranstaltend, was das Thema Bücherverbrennung anbelangt. Es gibt zur Zeit zahlreiche Stadtführungen oder Stadtspaziergänge druch Eimsbüttel, Eppendorf oder im grindelviertel am Allendeplatz, mit denen man auf die Stolpersteine oder Töchterschulen oder das Archiv der einzelnen Stadtteile Hamburgs mit ihren Besonderheiten aufmerksam macht. Das deutsche Kunstlied wird seit Theodor Adorno auch in den Kontext dieser Problematik gestellt.

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