Buchstiftung an das Leo Baeck Institut
7. Dezember 2015
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Von Anna v. Villiez
Am 27.11. konnten wir ein Buch an das Berlin Archiv des traditionsreichen Leo Baeck Institutes mit Hauptsitz in New York übergeben. Es handelte sich um „Die fünf Bücher Moses“, den so genannten Pentateuch, in einer Ausgabe von 1914.
Das religiöse Standardwerk war als Gestapozugang 1943 in den Bestand der SUB gelangt. Die Arbeitsstelle für Provenienzforschung der Stabi hatte vor ein einigen Monaten mit der Recherche zu dem Buch begonnen, denn auf einem Stempel im Buch ist „Felix Halberstadt“ als Vorbesitzer ausgewiesen. Die Recherchen ergaben, dass Felix Halberstadt ein jüdischer Handelsvertreter war, der mit seiner Familie zunächst in der Blücherstraße 4 in Altona, später in der Hallerstraße, gelebt hatte. Er war mit Rosa geb. von der Walde verheiratet, einer gebürtigen Neuseeländerin. Sie hatten zwei Söhne, Werner und Hellmuth.
Der Beginn des Nationalsozialismus verband sich für Felix Halberstadt mit zwei familiären Tragödien. 1935 starben seine Frau mit 51 Jahren und nur ein Jahr später sein Sohn Werner sechzehnjährig. Sein Sohn Hellmuth konnte mit seiner Frau Jenny im März 1939 noch aus Deutschland in die USA emigrieren, wo sie später in New York lebten. Felix Halberstadt selber gelang es nicht aus Deutschland zu fliehen. Er hatte mit seiner zweiten Frau, Josabeth geb. Ezechiel zuletzt im selben Haus wie die Familie von Joseph Carlebach, dem Rabbiner der Hamburger Bornplatzsynagoge, gelebt. Beide Familien wurden am 6. Dezember 1941 Richtung Riga deportiert. Alle wurden am 26.03. 1942 in der „Aktion Dünamünde“ in der Nähe von Riga erschossen.
Sein Sohn Hellmuth und seine Frau, die sich nach der Annahme der amerikanischen Staatsbürgerschaft Howard und Jenny Hall nannten, übergaben den Familiennachlass später an das Leo Baeck Institut in New York. Dort wird er bis heute aufbewahrt, ist inzwischen digitalisiert und kann online eingesehen werden:
http://www.lbi.org/digibaeck/results/?qtype=pid&term=476169.
Sehr berührend ist ein dort archivierter Brief vom 24. April 1939, in dem Felix Halberstadt noch voll Hoffnung an seinen Sohn schrieb: „Es wäre ja fein, wenn aus der Sache mit Kalifornien etwas werden sollte, da käme ich auch gern hin.“
Da das Ehepaar Howard und Jenny Hall kinderlos blieb, konnte zunächst kein Erbe für das Buch gefunden werden. Wie sich jedoch herausstellte, war Felix Halberstadt mit dem bekannten Hamburger Fotografen Max Halberstadt verwandt1. Ihre Väter waren Halbbrüder. Max Halberstadt war 1936 mit seiner Familie nach Südafrika geflohen war. Max Halberstadts Enkel, der heute in den USA lebt, hat einer Stiftung des Buches an das Leo Baeck Institut zugestimmt, wo es an den Familiennachlass angegliedert wird und so für künftige Forschung und zum Gedenken an Felix Halberstadt und seine Frau Josabeth erhalten bleibt.
- Zur Biografie von Max Halberstadt vgl.: Wilfried Weinke: Verdrängt, vertrieben, aber nicht vergessen. Jüdische Fotografen in Hamburg vor 1933, Weingarten 2003, S. 110-175. [↩]