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NS-Raubgut: Ein Geburtstagsgeschenk kommt nach Hause

8. November 2011
von Markus Trapp — abgelegt in: Aktuelles — 15.723 Aufrufe

NS Raubgut, Widmung in einem Buch von Curt Heilbrun
„Ihrem Sohn Curt zu seinem 16ten Geburtstage am 1. November 1899. als Geburtstagsgeschenk von seinen ihn liebenden Eltern Elias u. Cäcilie Heilbrun, geb. Nordheimer“

Ein Geburtstagsgeschenk kommt nach Hause: die Stabi restituiert ein Buch der Familie Heilbrun an die Erben.

Mit dieser Widmung begann die Recherche nach Curt Heilbrun, der zu seinem 16. Geburtstag von seinen Eltern eine Gesamtausgabe der Werke Heinrich Heines geschenkt bekam. Die einbändige Werkausgabe war 1941 im Zugangsbuch der Bibliothek als „Geschenk“ der Gestapo vermerkt worden. Eine erste Recherche nach der Familie Heilbrun in Hamburg verlief ergebnislos.

Bei einem Besuch des Internationalen Suchdienstes des Roten Kreuzes in Bad Arolsen im November 2010 ergaben sich erste Hinweise auf Curt Heilbrun. Dr. Curt Heilbrun arbeitete in Erfurt als Augenarzt. Im Zuge des Novemberpogroms 1938 wurde er für ca. einen Monat im KZ-Buchenwald eingesperrt, seine Häftlingsnummer lautete 20494. Nach seiner Freilassung bemühte sich die Familie, Deutschland zu verlassen. Im Juni 1939 erhielten die Heilbruns eine Einreisegenehmigung und traten die Überfahrt nach Großbritannien an. Das Umzugsgut wurde durch eine Spedition in den Hamburger Hafen gebracht, von wo aus es nach Großbritannien weiter transportiert werden sollte. Während Curt, Elsa und der Sohn Max Werner Heilbrun Großbritannien erreichten, wurde der gesamte Besitz der Familie von der Gestapo beschlagnahmt und in Hamburg versteigert. Das bei uns aufgefundene Buch wurde nicht versteigert, sondern von der Gestapo an unsere Bibliothek als „Geschenk“ abgegeben.

Wichtige Hinweise bei den Recherchen nach den Erben von Curt Heilbrun enthielt eine Wiedergutmachungsakte, die wir im Staatsarchiv Hannover einsehen konnten. Der Inhalt der Akte bestätigte die Identität von Curt Heilbrun als den gesuchten Vorbesitzer des Buches. Curt, Elsa sowie der Sohn Max Werner Heilbrun sind mittlerweile verstorben, aber es fanden sich die Namen der Enkel.

Im August dieses Jahres wandten wir uns an die „Commission for Looted Art in Europe“ in Großbritannien. Da die Familie zumindest bis 1970 in Großbritannien gewohnt hatte, erhofften wir uns durch diese Organisation Hilfe beim Auffinden der Enkel. Diese Hoffnung wurde erfüllt. Nach zwei Monaten konnten wir einen ersten Kontakt mit den Erben herstellen.

Den Erben war bis zu dieser Zeit nur sehr wenig über die eigene Familiengeschichte bekannt, da der einzige Sohn von Curt Heilbrun und Vater der Erben bereits 1958 verstorben war. Mit den von uns während der Recherche gefundenen Archivalien konnten wir, sozusagen nebenbei, der Familie ein Stück ihrer Familiengeschichte zurückgeben. Die Enkelin war aufgrund der Vorgeschichte natürlich überrascht, dass es nach all den Jahren noch eine Rückerstattung aus dem Besitz der Familie Heilbrun gibt. Wie viele Bücher der Familie seinerzeit von der Gestapo an die SUB abgegeben wurden, lässt sich leider nicht mehr ermitteln. Der restliche Besitz der Familie wurde 1940 in Hamburg versteigert und bleibt ebenfalls verschollen.

Die Rückgabe dieses Buches ist ein Erfolg des Projekts „NS-Raubgut“ der Staats- und Universitätsbibliothek, das seit 2006 in den eigenen Beständen nach geraubten Büchern sucht, sie im Katalog verzeichnet und sich um ihre Rückgabe bemüht.

Das Projekt im Internet: NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut in der Stabi.

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