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Der wiederentdeckte Nachlass Fritz Krenkows

16. Juni 2025
von Redaktion — abgelegt in: Fachbibliotheken,Schätze der Stabi — 436 Aufrufe

Von Fayek Abbas
Bibliothek des Asien-Afrika-Instituts, Universität Hamburg.

Bei einer Teilrevision der Altbestände der Abteilung Vorderer Orient der Bibliothek hat Astrid Menz, die damalige Leitung der AAI-Bibliothek, ein Buch entdeckt, das Fritz Krenkow von einem Kollegen geschenkt worden war. In dem Buch befanden sich eingeklebt ein Brief des Autors/Schenkers an Krenkow, ein Bild des Autors, sowie ein Nachruf, den Krenkow aus Anlass des Ablebens des Autors verfasst hatte.

Abbildung: Brief mit Umschlag, eingebunden in Ahlward, Wilhelm: Der Dīwān des Reḡezdichters Rūba Ben Ela̓ḡḡāḡ. Berlin 1903.

So fing alles an. Zunächst recherchierten wir, wer dieser Fritz Krenkow eigentlich war und wie ein Buch aus seinem Privatbesitz in die Bibliothek des AAI gelangt ist. Das Inventarbuch und der Nachruf auf Fritz Krenkow aus der Feder von Otto Spies, der ein Postskriptum von Bertold Spuler enthält, in dem er seiner Dankbarkeit über die Schenkung der Privatbibliothek Ausdruck gibt, brachten uns dann auf die richtige Spur.

Fritz Krenkow (1872–1953), ein deutscher Arabist mit internationaler Wirkung, lebte viele Jahre in England, war Mitglied der Dairat ul-Ma’arif in Haidarabad sowie der Académie Arabe de Damas, und widmete sein Leben der Edition, Übersetzung und Kommentierung klassischer arabischer Texte – insbesondere aus den Bereichen vor- und frühislamische Poesie, Lexikographie und Geschichtsschreibung. 1949 schenkte er seine umfassende arabistische Bibliothek mit rund 2.750 Titeln (Bücher und Sonderdrucke) dem Seminar für Geschichte und Kultur des Vorderen Orients an der Universität Hamburg.

Die Bücher aus dieser Schenkung – durchzogen von handschriftlichen Kommentaren in den Marginalien, Notizen und eingefügten Briefen – sind nicht bloß Träger von Texten. Sie sind lebendige Zeugnisse einer Arbeitsweise, die von philologischer Akribie und leidenschaftlichem Interesse an der arabischen Literatur geprägt war.

Gemeinsam wurde das Projekt mit detektivischer Sorgfalt vorangetrieben. Mithilfe alter Inventarbücher aus den Jahren 1949 bis 1952 sowie der engagierten Unterstützung unserer studentischen Hilfskräfte und Praktikantinnen – darunter Lena Haberzettl und Heische Malekzada – gelang es uns, bislang etwa 970 Buchtitel aus Krenkows Schenkung ausfindig zu machen.

Dabei stellte sich heraus, dass die Schenkung im Laufe der Jahrzehnte an drei verschiedene Standorte verteilt worden war: das Asien-Afrika-Institut, die Staats- und Universitätsbibliothek (SUB) sowie die Speicherbibliothek in Bergedorf. Der Grund für diese Verteilung war vermutlich Platzmangel der Bibliothek des damaligen Seminars für Geschichte und Kultur des Vorderen Orients, die zur Auslagerung vieler Bände an die SUB führte.

Wir begannen, die Werke systematisch zu sichten. Jedes Buch wurde aus dem Regal genommen und daraufhin untersucht, ob es handschriftliche Spuren von Krenkow in den Marginalien oder in Form von Beilagen enthielt. In der Katalogdatenbank wurde die Provenienz vermerkt– inklusive Widmungen, Randnotizen oder eingefügter Materialien. Diese Vermerke sind heute im Katalog sichtbar.

Alle losen Blätter, Notizen oder Beilagen wurden entnommen, in säurefreie Umschläge verpackt und mit genauer Angabe der Fundstelle (Seite und Signatur) versehen. Anschließend wurden diese eingescannt – eine Arbeit, die Leo Hinrichs mit großem Engagement übernommen hat. Die eingescannten Digitalisate werden heute im Asien-Afrika-Institut aufbewahrt.

Ein digitales Archiv entsteht

Mit Hilfe von Dr. Iris Vogel vom Zentrum für nachhaltiges Forschungsdatenmanagement, entstand ein Online-Archiv im Sammlungsportal FUNDUS, das mittlerweile 117 Digitalisate umfasst. Es dokumentiert die Beilagen, enthält Metadaten zu Sprache, Titel und Kataloglink und erlaubt so einen forschungsnahen Zugang zu Krenkows Marginalien, Beilagen und Notizen – und damit zu seinem Denken: So ist es heute möglich, nicht nur ein Werk aus Krenkows Nachlass zu lesen, sondern auch dessen Entstehungskontext und die editorischen Überlegungen Krenkows nachzuvollziehen.

Abbildung: Eingangsseite zum Krenkow-Archiv in FUNDUS

Stimmen aus der Vergangenheit: Der Briefwechsel mit Arthur Schaade

Im Zuge unserer Arbeit stießen wir auch auf den wissenschaftlichen Nachlass von Arthur Schaade (1879–1952), Professor für Semitistik an der Universität Hamburg, der in der SUB liegt. Dank der freundlichen Unterstützung unseres Kollegen Dr. Mark Amtstätter an der SUB erhielten wir Zugang zu diesem bislang wenig erschlossenen Material. Darin fanden sich zahlreiche Briefe, die Schaade und Krenkow zwischen 1924 und 1952 ausgetauscht hatten.

Die Briefe geben tiefe Einblicke in die wissenschaftliche Zusammenarbeit der beiden Forscher. Unter anderem enthalten sie Informationen über das Zustandekommen der Schenkung an das Seminar für Geschichte und Kultur des Vorderen Orients. So erfährt man etwa, dass Hellmut Ritter Krenkow empfahl, seine Bibliothek an Hamburg zu geben, statt, wie von Krenkow ursprünglich angedacht, an die Universitätsbibliothek in Leipzig.

Wir erstellten eine chronologische Übersicht über sämtliche Briefe, einschließlich Absender, Empfänger, Poststempel, Inhaltsangaben und erwähnter Personen. Die Briefe wurden von der SUB katalogisiert und sind im Kalliope-Verbundkatalog nachgewiesen sowie im Portal „Hamburger Kulturgut Digital“ veröffentlicht. Die entsprechenden Links sind auch im Krenkow-Archiv eingebunden.

Der handschriftliche Nachlass

Im Zuge der Nachforschungen nach Teilen von Fritz Krenkows Schenkung, stießen wir in der SUB auch auf seinen handschriftlichen Nachlass, der aus einer Reihe gebundener Manuskripte sowie Kartons mit ungebundenen Handschriften und anderen Materialien besteht. Ein Teil davon, nämlich die gebundenen Manuskripte, wurde daraufhin katalogisiert.

Prof. Sabine Schmidtke vom Institute for Advanced Study in Princeton sichtete den in den Kartons befindlichen handschriftlichen Nachlass Krenkows und veröffentlichte zwischen April und Juni 2024 eine Inventarliste auf ihrer Website.

Der handschriftliche Nachlass umfasst:

  • 16 gebundene Manuskripte, die von mir katalogisiert und anschließend in den Kalliope-Verbundkatalog aufgenommen wurden,
  • Fünf Kartons mit Fotografien von Handschriften aus Istanbuler Bibliotheken, die Hellmut Ritter an Krenkow geschickt hatte,
  • Zehn Kartons mit Notizbüchern, Manuskripten, Briefen, Sonderdrucken und anderen Dokumenten, von denen viele aus Krenkows eigener Hand stammen,
  • sowie neun Karteikästen mit thematisch sortierten Arbeitsnotizen.

Abbildung: Handschriftliche Edition/Abschrift Dīwān ʿAmru Ibn-Qamīʾa (geöffnetes Buch) & Sammlungen verschiedener Vorislamischen Dichter. © Ayaz Ismail

Die Materialien gewähren einen einmaligen Einblick in das Arbeitsumfeld eines Gelehrten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – in seine methodische Präzision, seine thematische Breite und seine wissenschaftliche Neugier.

Ein Fenster zur Wissenschaftsgeschichte

Krenkows wissenschaftlicher Weg war geprägt von der sorgfältigen Bearbeitung bedeutender Werke der arabischen Literatur, Geschichtsschreibung und Wissenschaft. Besonders im Bereich der Poesie war er dafür bekannt, die Autorschaft von Versen mit akribischer Genauigkeit zu überprüfen. Durch Vergleich verschiedener Manuskripte und durch umfassende Querverweise konnte er zahlreiche Verse ihren ursprünglichen Dichtern zuordnen und damit zur Korrektur des arabischen Literaturkanons beitragen.

Sein Nachlass ist deshalb nicht nur eine Fundgrube für die arabischen Philologie, sondern auch ein interessantes Zeugnis der Wissenschaftsgeschichte. Er dokumentiert die Denk- und Editionsprozesse eines Orientalisten, der zwischen Sprachen, Kulturen und Kontinenten wirkte.

Im Mai 2025 hatte ich zusammen mit Astrid Menz, der ehemaligen Leitung der Bibliothek des Asien-Afrika-Instituts, die Gelegenheit, unsere bisherigen Arbeitsergebnisse im Rahmen einer Fachkonferenz für Orient-Bibliothekare, der MELCom International Conference, vorzustellen.

Um den Nachlass vollständig zu erfassen, müssen in einem letzten Schritt nun noch alle verbliebenen Materialien sorgfältig katalogisiert und damit der wissenschaftlichen Forschung zugänglich gemacht werden.

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