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Die Stabi gibt NS-Raubgut zurück – und bekommt es geschenkt.

19. Oktober 2022
von Redaktion — abgelegt in: Aktuelles — 1.156 Aufrufe

Zur Restitution von Autographen aus der Sammlung Dr. Heinrich Spiero.

Von Anneke de Rudder.

Am 22. September restituierte die Stabi mehr als 250 Briefe der bekannten Hamburger Schriftsteller Detlev von Liliencron, Gustav Falke und Richard Dehmel an ihre rechtmäßigen Eigentümer:innen. Die Unikate, die 1937 im Berliner Auktionshaus J. A. Stargardt angekauft wurden, gehörten dem Schriftsteller, Literaturwissenschaftler und leidenschaftlichen Autographensammler Dr. Heinrich Spiero (1876 – 1947). Er war eine wichtige Figur in der deutschen Literaturszene, zunächst in Hamburg und später in Berlin. Bis 1914 gehörte er zum Hamburger literarischen Zirkel rund um Liliencron, Falke und Dehmel, mit denen er eine umfangreiche Korrespondenz pflegte und über die er mehrfach publizierte. In der NS-Zeit als Jude verfolgt und mit Berufsverbot belegt, musste Heinrich Spiero 1937 in existenzieller Not viele Stücke aus seiner Sammlung veräußern. Dazu gehörten auch die vielen Briefe der Hamburger Dichter an Heinrich Spiero, die nun als NS-Raubgut restituiert wurden.

In einer großzügigen Geste entschloss sich die Erbengemeinschaft zur Schenkung der restituierten Autographen an die Stabi. Darüber hinaus schenkte sie der Bibliothek ein Gästebuch der Familie Spiero mit Eintragungen vieler bedeutender Zeitzeug:innen des 20. Jahrhunderts, ein 1927 vom berühmten Pressezeichner Emil Stumpp geschaffenes Porträt Heinrich Spieros sowie Fotografien und Dokumente aus Familienbesitz.

Zur Rückgabe und Schenkung reisten Nachfahren Spieros aus Berlin und Dresden an. Es war ein bewegender Moment, als Direktor Robert Zepf gemeinsam mit Enkelin Karola Bürkner die entsprechenden Dokumente unterzeichnete. Dr. Anna Rohr aus Berlin, Historikerin und Biographin Heinrich Spieros, beleuchtete in ihrem Vortrag das Leben und Wirken dieses Mannes, der in der NS-Zeit ein Hilfsbüro für als Juden verfolgte Christen leitete. Spiero überlebte in Berlin, zuletzt schwer krank in der Illegalität, und starb 1947. Anneke de Rudder von der Arbeitsstelle Provenienzforschung bezog in ihrem Vortag auch vorbereitete Ausführungen der leider kurzfristig verhinderten Leiterin der Arbeitsstelle Dr. Wiebke von Deylen ein. Dabei hob sie die Bedeutung von Heinrich Spiero und anderen Dichtern und Publizisten jüdischer Herkunft in den literarischen Kreisen vor 1933 hervor. Sie erinnerte an den anerkannten Literaten und Wissenschaftler, den starken Charakter, den Schriftsteller voller Kenntnis und Ironie. Genau wie bei allen anderen NS-Verfolgten sei es problematisch, ihn in erster Linie als Opfer zu sehen, als passive Figur – und umso wichtiger, sein aktives Leben vor 1933 zu würdigen. Abschließend ließ sie dann den Schriftsteller mit einer Lesung aus seinem autobiographischen Werk „Schicksal und Anteil“ selbst zu Wort kommen.

In seinem Schlusswort wandte sich Direktor Prof. Robert Zepf an die Erb:innen und brachte die große Dankbarkeit der Bibliothek für die großzügige Schenkung zum Ausdruck. Die wertvollen Autographen könnten nun in Hamburg verbleiben, dort der Forschung zur Verfügung stehen und zugleich die Geschichte von verfolgungsbedingtem Entzug, Restitution und der abschließenden einvernehmlichen Lösung dokumentieren. Als letzte sprach Heinrich Spieros Enkelin Karola Bürkner. Sie betonte, wie wichtig die Restitution und die damit einhergehende Würdigung Heinrich Spieros als wichtiger Akteur in der literarischen Welt für die Familie sei. Sie freue sich, dass die Autographen und auch die privaten Geschenke in Hamburg nun in guten Händen seien.

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