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Neuerwerbung: Die erste hochdeutsche Bibelausgabe Hamburgs

4. November 2020
von Markus Trapp — abgelegt in: Schätze der Stabi — 3.144 Aufrufe

Bücher haben ihre eigene Lebensgeschichte und bisweilen lassen sie uns daran sogar teilhaben, so auch im Falle der jüngsten Neuerwerbung der Sondersammlungen der Stabi:

Das Newe Testament, in der Übersetzung von Martin Luther, gedruckt im Jahr 1597 in Hamburg durch Theodosius Wolder (Sign.: Scrin A/2043).

Das Newe Testament, in der Übersetzung von Martin Luther

Bei dem kleinen Büchlein, das mit einer Rückenhöhe von nur etwa 10 cm für den Privatgebrauch gedacht war, handelt es sich um die früheste Hamburger Ausgabe des neuen Testaments in hochdeutscher Sprache. Andernorts, insbesondere in Wittenberg, wurden solche Druckausgaben bereits seit 1522 zahlreich verlegt. In Hamburg jedoch veröffentlichten die Druckereien jahrzehntelang ausschließlich niederdeutsche Übersetzungen, ganz im Sinne Martin Luthers, der ja darauf bedacht war, die Bibel in der Sprache des Volkes zu verbreiten, damit die Heilige Schrift für jedermann zugänglich würde. Da die Hamburger Bürger seit jeher Platt sprachen, waren die niederdeutschen Bibelausgaben, die schon ab 1523 in der Hansestadt verlegt wurden (vgl. Das nyge Testament tho dude), vorerst die naheliegende Veröffentlichungsform.

Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurde das Hamburger Platt allmählich durch die hochdeutsche Sprache abgelöst und so stieg die Nachfrage nach einer entsprechenden Bibelausgabe. Für Theodosius Wolder, der ab 1597 eine Druckerei in Hamburg betrieb, bot diese Veröffentlichung außerdem die Chance, einen größeren Markt zu erreichen und die Neuausgabe auch außerhalb der Stadt zu vertreiben. Ebenso druckte Wolder als erster Hamburger Verleger 1598 eine hochdeutsche Ausgabe des Kleinen Katechismus Luthers. Diese ist in dem erworbenen Büchlein dem Neuen Testament beigebunden.

Das Newe Testament, in der Übersetzung von Martin Luther Obgleich beide Drucke in der Hamburger Buch- und Verlagsgeschichte eine wichtige Zäsur markieren, waren sie bislang in keiner norddeutschen Bibliothek vorhanden. Somit war es für die Stabi von besonders großem Interesse, den Band zu erwerben, der kürzlich in einem österreichischen Antiquariat angeboten wurde. Dieser befindet sich in altersgemäß gutem Zustand und weist neben dreiseitigem punzierten Goldschnitt zahlreiche handschriftliche Einträge auf, die Hinweise auf frühere Besitzer und Besitzerinnen des Büchleins geben.

Als erste Eigentümerin des Bandes hat sich im Jahr 1645 Juliane von Bobart verewigt, die damals 12-jährige Tochter des ostfriesischen Geheimen Rats und Kanzlers Arnold von Bobart. Über 40 Jahre später vermachte sie das Buch ihrer Tochter und auch weit darüber hinaus lässt sich die Besitzgeschichte des Bandes nachverfolgen. 1773 gelangte er zu Friedrich August Schmelzer (1759–1842), als Geschenk dessen Vaters. Der Frankenhausener studierte Rechtswissenschaften und wurde zunächst Dozent in Göttingen und ab 1791 Professor beider Rechte an der Universität Helmstedt, 1810 wechselte er nach Halle. Die Lutherdrucke dürften den Juristen auf diesen Wegen stetig begleitet haben, denn sein Sohn Johann Friedrich Hermann erbte den Band nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1842. Über zwei weitere Generationen ist die Provenienzgeschichte dokumentiert, bis sie im 20. Jahrhundert in Pommern abreißt. Auf welchem Wege das Buch nun in das österreichische Antiquariat gelangte, ist daher nicht bekannt.

Durch den jüngsten Ankauf der Sondersammlungen kehren die beiden seltenen Lutherdrucke nun nach rund 400 Jahren endlich zurück an ihren Entstehungsort nach Hamburg. Nach der detaillierten Erschließung auch der Provenienzhinweise wird die Stabi den Band sachgerecht archivieren und digitalisieren und ihn somit dauerhaft und ortsunabhängig zugänglich machen.

Eine Antwort zu “Neuerwerbung: Die erste hochdeutsche Bibelausgabe Hamburgs”

  1. Matthias Johansseb sagt:

    Die erste hochdeutsche Bibelausgabe Hamburgs

    Wunderbar, dass so ein Werk erworben werden konnte. Wie man liest, soll es ja auch in ganz gutem Zustand sein.
    Interessant ist auch zu erfahren,dass erst seit Ende des 16. Jahrhunderts sich Hochdeutsch in Hamburg durchgesetzt hat.
    Sehr gut finde ich,das im Text gesagt wird dass es ganz im Sinne des Doctorus Luther war, dass seine Übersetzung der Heiligen Schrift hierzulande in Niederdeutsch gedruckt wurde. Er wollte ja, dass die Menschen die Bibel in der Sprache lesen konnten, die sie selber sprechen und verstehen.

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