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Theaterzensur in der Franzosenzeit (1806-1814)

30. Juni 2016
von Redaktion — abgelegt in: Schätze der Stabi — 2.220 Aufrufe

Von Dominik Stoltz.

In der französischen Besatzungszeit Hamburgs mussten alle Theaterstücke vor der Aufführung einem Zensor vorgelegt werden, der die Textbücher durchlas und – meistens – mit einem Eintrag wie „vu et approuvé“ (gesehen und genehmigt) versah. In der Theater-Bibliothek des Hamburger Stadttheaters, die sich heute in der Stabi befindet und im Handschriftenkatalog HANS erfasst ist, haben sich 135 Stücke erhalten, die Einträge des hiesigen Zensors Johann Philipp Nick (1777-1815) enthalten. Ein kurzer Hinweis auf den Zensureintrag findet sich jeweils auch im Katalog.

Streichungen des Zensors zeigen problematische Textstellen (Theater-Bibliothek : 477, fol. 28v-29r)

Streichungen des Zensors zeigen problematische Textstellen, etwa die Bemerkung des Hauptmanns (für sich): „Ich kann dem Menschen kaum ins Auge sehn“, und den Anfang des 15. Auftritts
(Theater-Bibliothek : 477, fol. 28v-29r)


In der Mehrheit der Fälle fand Nick anscheinend nichts zu beanstanden. In einigen Stücken strich oder änderte er einzelne Wörter, manchmal aber auch eine ganze Szene. Er notierte die Seitenzahlen der verlangten Änderungen auf der letzten Seite, wo er auch unterschrieb. Gelegentlich sollten Figuren umbenannt oder ein ganzes Stück (Signatur: Theater­-Bibliothek : 1416) von England, dem damaligen Feind Frankreichs, nach Irland verlegt werden.

Manchmal fand der Zensor ein Stück jedoch völlig ungeeignet zur Aufführung. So erging es Friedrich Gustav Hagemanns „Leichtsinn und Edelmuth“ (Theater­-Bibliothek : 477) von 1790, das bis 1798 zahlreiche Aufführungen erlebte, später aber von J. P. Nick verboten wurde, offenbar, weil es der Obrigkeit und dem Militär zu kritisch war. Das Stück handelt von einem jungen Mann, der sich freiwillig zum Militär meldet, um mit dem Sold seinen Vater aus dem Gefängnis freizukaufen – zu dessen Entsetzen: „August, August, aus dem Gefängniß errettest du deinen Vater, um ihn in die Grube zu bringen. Hab’ ich das um dich verdient? […] Zum Soldaten hab’ ich dich nicht erzogen. Steh auf!

Nicks Kommentar hinten im Buch ist zwar freundlich gehalten, aber deutlich:

In einem monarchischen Staate kann und darf der Soldatenstand als kein Unglück betrachtet werden. Der 15. Auft[ritt] wirft auf jeden Fall ein ungünstiges Licht auf ihn. Die anderen Scenen sind nicht gantz von diesem Vorwurfe frei. Sie werden es mir daher nicht übelnehmen hochzuverehrender Herr Director! Wenn ich dieses Lustspiel nicht genehmigen kann.
Mit besonderer Hochachtung
Nick Censor.

Es verwundert nicht, dass die Befreiung der Stadt auch am Theater mit einem eigenen Programm gefeiert wurde, darunter eigens geschriebene Stücke wie „Der Tag der Erlösung“ (Theater-Bibliothek : 981a) von Friedrich Ludwig Schmidt.

Ablehnender Eintrag des Zensors

Ablehnender Eintrag des Zensors
(Theater-Bibliothek : 477, hinteres Schmutzblatt)

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